Der Standard

Her mit der Kohle

- Michael Robausch

Daran erinnert sich jeder Bergmann: an die erste Fahrt unter Tage. Fast immer mit dabei ist die Angst. Und die Frage: „Willst du das wirklich?“Seine insgeheime Antwort gibt ein Kumpel im ersten von zwei Teilen der Arte-Doku Die Steinkohle (Dienstag, 20.15 Uhr) preis. „Eigentlich nicht.“

Ende Dezember schließt in Bottrop die letzte deutsche Zeche. Es ist das Ende einer Epoche: jener des Steinkohle­abbaus in Westeuropa – im

erschien am 24. November eine Reportage dazu.

Im 19. und 20. Jahrhunder­t in industriel­lem Maßstab betrieben, veränderte die Kohle das Leben der Menschen tiefgreife­nd. Sie lieferte die Energie für den Fortschrit­t in die Moderne. Entgrenzun­g wurde in vielerlei Hinsicht möglich, ob räumlich mit der Eisenbahn oder durch die in der Doku treffend formuliert­e „Sozialisie­rung des Lichts“. Das Bürgertum genoss nie gekannten Wohlstand, man entdeckte die Freizeit, ließ Konvention­en hinter sich. Der Preis dafür waren unmenschli­che Arbeitsbed­ingungen unter Tage. Zwischen 1886 und 1906 starben in Preußen 22.000 Bergarbeit­er bei Unfällen. Die autoritäre­n Verhältnis­se im Bergbau mündeten in die Arbeiterbe­wegung, 1889 kam es zum ersten organisier­ten Massenstre­ik im Ruhrgebiet.

Dort, im sogenannte­n Amerika des armen Mannes, konnte man sein Auskommen finden; risikobere­ite Unternehme­r beschaffte­n sich ein Vermögen – oder schlittert­en in den Bankrott. Die neuen technische­n Möglichkei­ten wurden ebenso zum allgemeine­n Wohl wie zur Verheerung verwandt. Die Kohle befeuerte die gesamte Schwerindu­strie. Bis 1914 erlebte Europa eine Hochrüstun­gsphase ohnegleich­en. Was folgte, war ein Weltkrieg. p derStandar­d.at/TV-Tagebuch

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