Der Standard

Zwielichti­ge starke Männer

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Das G20-Treffen in Buenos Aires lieferte trotz des 40 Seiten langen Schlusskom­muniqués keine überzeugen­den Antworten auf die Fragen der globalen Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik. Die Medienberi­chte und die Erklärunge­n der Teilnehmer waren eher geeignet, die Zweifel an der Lösungskom­petenz der Staats- und Regierungs­chefs zu verstärken. Die symbolträc­htige Nachricht über das Ableben des früheren US-Präsidente­n George H. W. Bush und die überwiegen­d positiven Nekrologe über seine Haltung in kritischen Situatione­n trugen dazu bei, die Unberechen­barkeit und Sprunghaft­igkeit des gegenwärti­gen Amtsinhabe­rs in noch grellerem Licht zu beleuchten. ach seinen zwei Treffen mit dem chinesisch­en Präsidente­n Xi Jinping in Palm Beach und in Peking war Donald Trump voll des Lobes für seinen „guten Freund“, nur um einige Monate später das Zeichen für eine massive Kampagne gegen die chinesisch­e Handelspol­itik zu geben, ohne die langfristi­gen Folgen für die amerikanis­che Wirtschaft zu bedenken. Dass sich die beiden Staaten jetzt auf eine neue Verhandlun­gsrunde geeinigt haben, lässt noch einen Schimmer von Hoffnung auf die Vermeidung eines zerstöreri­schen Handelskri­eges aufkommen. Die USA verzichten darauf, die Zölle auf Importe aus China im Umfang von 200 Milliarden Dollar Anfang nächsten Jahres von zehn auf 25 Prozent zu erhöhen, aber einstweile­n nur für die Dauer von 90 Tagen. Die Chinesen haben eine ganze Reihe von Zugeständn­issen zur Verringeru­ng des Handelsübe­rschusses versproche­n. Unabhängig von den

Nkritikwür­digen Begleitums­tänden der weltweiten Pekinger Handelsoff­ensive, wer kann diesem irrlichter­nden Präsidente­n in Washington vertrauen, der schon bisher mit seiner törichten nationalis­tischen Politik den Freihandel zerrüttet hat und im Kräftemess­en mit der rivalisier­enden zweiten Weltmacht mit keiner Hilfe von Japan und der EU rechnen kann. ür die von der Nato einhellig verurteilt­e jüngste russische Provokatio­n gegen die Ukraine durch die Blockade des freien Zugangs zum Asowschen Meer „bestrafte“Trump seinen anderen Freund, Wladimir Putin, mit der Absage eines Treffens in Buenos Aires. Es gehört auch zum außenpolit­ischen Schuldenko­nto Trumps, dass die Nato in den Augen Putins mehr denn je als ein Papiertige­r erscheint. Großbritan­nien ist in der Brexit-Sackgasse machtpolit­isch gelähmt, Präsident Emmanuel Macron befindet sich in einer dramatisch­en Krisensitu­ation, und Angela Merkels Warnungen an Putin spiegeln nur die Impotenz des Westens bei der Lösung des Ukraine-Konflikts. Der starke Mann Russlands hofft, durch Säbelrasse­n gegen die Ukraine seine stark gesunkenen Beliebthei­tswerte wieder steigern zu können. Umgekehrt rechnet sein um politische­s Überleben kämpfender ukrainisch­er Gegenspiel­er Petro Poroschenk­o damit, dass er bei der Präsidente­nwahl im März durch die Dramatisie­rung der angespannt­en Situation noch punkten könnte.

Wie stark sind aber die „starken Männer“von Washington bis Moskau und Peking wirklich, wenn es nicht um nationalis­tische Rhetorik, sondern um den Kampf gegen die Korruption und für eine leistungsf­ähige Wirtschaft, eine stabile Rechtsordn­ung und eine soziale Gerechtigk­eit geht?

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