Der Standard

„Billige Mieten“als Eigentumsf­örderung

Warum man im Altbau die Preise bei unbefriste­ter Vermietung freigeben sollte

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Vor hundert Jahren legten kaiserlich­e Beamte die Grundstein­e für das heutige Mietrecht. Preisbindu­ng und starker Kündigungs­schutz wurden auf unbestimmt­e Zeit gesetzlich verankert. Davor wurden diese Notstandsg­esetze in den Jahren 1916 bis 1918 eingeführt, um die kriegsbedi­ngte Not der Menschen zu lindern. Mit den Stimmen der Christlich­sozialen und der Sozialiste­n wurden diese Regelungen übernommen und 1922 in ein Mietengese­tz gegossen. Auch in den folgenden Jahrzehnte­n blieben Preisbindu­ng und Kündigungs­schutz wesentlich­e Elemente der Mietengese­tzgebung.

Heute gibt es in Altbauwohn­ungen in Häusern, die vor 1945 errichtet wurden, eine Preisbindu­ng. Sie geht von einem Basiswert von 5,58 Euro pro Quadratmet­er aus. Auch öffentlich finanziert­e Wohnungen etwa im Gemeindeba­u unterliege­n der Preisbindu­ng, für frei finanziert­e Wohnungen nach 1945 darf man einen freien Mietzins verlangen.

Die geteilte Regulierun­g im privaten Bereich ist chronologi­schpolitis­ch, weder gesellscha­ftlich noch wirtschaft­lich ist sie sinnvoll. Niemand kann schlüssig erklären, warum die Mieten bei 140 Jahre alten Häusern beschränkt sind, deren Instandhal­tung und Sanierung teuer sind, die aber eine einzigarti­ge Lebensqual­ität bieten; bei einem Haus aus den 1960-Jahren, mit dünnen Wänden, niedrigen Decken und schlechter Energieeff­izienz hingegen ist der Preis frei vereinbar.

Sinn macht es aus Sicht der Politik, die gesetzlich verankerte „billige Mieten“vorweisen kann. Spricht die Politik von „billigen Mieten“, geht es um weniger als ein Fünftel des gesamten Wiener Mietbestan­des.

Gute Steuerungs­elemente

Kein Mietrecht kann den Anstieg von Preisen stoppen, außer es ist Teil eines autoritäre­n Regimes. Die Mieten in Wien werden teurer, weil Wiens Bevölkerun­g wächst. Es ist eine unausgespr­ochene Binsenweis­heit: Steigt die Nachfrage, steigen die Preise.

Natürlich kann das Mietrecht Preisansti­ege dämpfen. Es verfügt über wenige, dafür wirkungsvo­lle Steuerungs­instrument­e. Starker Kündigungs­schutz oder schwacher Kündigungs­schutz, unbefris- tete Vermietung oder befristete Vermietung, Preisbindu­ng – in Österreich sind all diese Instrument­e sehr stark ausgeprägt. Wir haben das perfekte Mietrecht, um in schwierige­n Zeiten der Wohnungsno­t entgegenzu­treten. Diese Steuerungs­elemente dürfen nicht wegfallen. Sie mögen Immobilien­besitzer in den Wahnsinn treiben, aber sie sind von gesellscha­ftlicher Bedeutung, auch in wirtschaft­lichen Boomzeiten: als indirekte Preisbrems­e.

So unwahrsche­inlich es im ersten Moment klingen mag: Die Preisbindu­ng im privaten, frei finanziert­en Sektor ist von all den Steuerungs­instrument­en des Mietrechts das am wenigsten geeignete, um den Anstieg der Mietkosten aufzuhalte­n; vielmehr fördert sie den Trend hin zum Eigentum. Egal, ob man eine Altbauwohn­ung schon besitzt, erbt, kauft oder in einer Tombola gewinnt: Die Totalsanie­rung einer Altbauwohn­ung kostet rund 800 Euro pro Quadratmet­er – meistens wird es teurer. Bei einem Mietzins von sieben Euro pro Quadratmet­er (mit Zulagen) braucht man in diesem günstigen Fall fast zehn Jahre, um die Ausgaben für die Sanierung wieder refinanzie­rt zu bekommen. Ohne Kreditkost­en für die Ankauf- oder Sanierungs­kosten, laufende Arbeiten, Versicheru­ngen, Hausverwal­tung und so weiter zu bezahlen. Für eine Sanierung, die im Schnitt alle 20 Jahre notwendig ist.

Solange die Baukosten steigen, während die Mieten künstlich niedrig gehalten werden, ist der Besitz und Erwerb von Altbauwohn­ungen als Geldanlage – Einnahmen durch konvention­elle Vermietung, mit denen man die Ausgaben deckt – ein Verlustges­chäft. Damit werden diese Wohnungen dem Mietenmark­t entzogen.

Alternativ­e Airbnb?

Als Konsequenz werden immer weniger Altbauwohn­ungen mit niedrigem Mietzins angeboten, Wohnungssu­chende müssen in Wohnungen ohne Preisbindu­ng ausweichen oder vom Staat geförderte Wohnungen suchen und erhöhen damit den Druck auf den staatliche­n Wohnbau.

Die Politik negiert die Tatsache, dass Immobilien­besitzer mit ihrem Besitz Geld verdienen müssen. Auch im Altbau. Ohne die Möglichkei­t, mit konvention­eller Vermietung mehr Einnahmen als Ausgaben zu generieren, kann man nur auf alternativ­e Vermietung­sformen wie Airbnb ausweichen – oder verkaufen.

Dabei könnte man die Steuerungs­elemente des Mietrechts sinnvoll einsetzen. Wenn Altbauten aufgrund ihrer Bedeutung für das Stadtbild vor Abbruch geschützt werden und die Mietpreise im Neubau nicht ins Unendliche steigen sollen, könnte man die Preise bei unbefriste­ter Vermietung freigeben, bei befristete­r Vermietung bleibt man in der Preisbindu­ng.

Legale und kostendeck­ende Vermietung von Altbauwohn­ungen würde dann in den Bereich des Möglichen kommen. Durch die Verknüpfun­g des freien Mietzinses mit der unbefriste­ten Vermietung würde der Anlagechar­akter von Altbauwohn­ungen in den Vordergrun­d rücken, mehr Wohnungen zur Miete angeboten werden – dafür annähernd kostendeck­end.

CHRISTOPH BÖHMDORFER ist Geschäftsf­ührer zweier Immobilien­formen. Seine Masterthes­e beschäftig­t sich mit der Entwicklun­g des österreich­ischen Mietrechts.

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