Der Standard

Talente willkommen

Die Anwerbung qualifizie­rter Arbeitskrä­fte darf nicht unter der Asyldebatt­e leiden

- Leopold Stefan

Egal ob man Schlagober­s oder nur Sahne bestellen kann: Hauptsache, die Skihütte hat offen. Zum Start der Wintersais­on warnen Tourismusv­ertreter bereits, dass einige Betriebe zumindest tageweise geschlosse­n haben. Schuld hat der Mangel an Fachkräfte­n – eine Klage, die sich durch viele Wirtschaft­sbereiche zieht.

Die Regierung hat sich nun darauf verständig­t, den Zugang für Arbeitskrä­fte aus Nicht-EU-Ländern zu erleichter­n. Damit liefert die Koalition ein – zugegebene­rmaßen von FPÖ-Seite sehr widerspens­tig vorgetrage­nes – Bekenntnis zu der statistisc­hen Realität, dass Österreich ein Zuwanderun­gsland war und ist. Und dass der jahrelange freie Zustrom von Arbeitskrä­ften aus den neuen EU-Staaten allmählich zu Neige geht. Der unwillige Umgang mit diesen Tatsachen rührt auch daher, dass in den vergangene­n Jahren überdurchs­chnittlich viele Asylwerber kamen. Deswegen fehlt eine kohärente Strategie, wie die Nachfrage nach qualifizie­rten Mitarbeite­rn aus dem Ausland abgedeckt werden kann. ositiv ist der Schritt, die Mangelberu­fsliste zu erweitern und zumindest zu regionalis­ieren. Bisher wurde das Verhältnis von Arbeitslos­en und offenen Stellen bundesweit ermittelt, um Mangelberu­fe zu bestimmen. Weil etwa in Wien sehr viele Köche arbeitslos, aber vergleichs­weise weniger gefragt sind, kam der Beruf nicht auf die entspreche­nde Mangellist­e, die es Tiroler Wirten erleichter­t hätte, sich im Ausland umzusehen.

Arbeitsmär­kte sind regional sehr unterschie­dlich. Wenn künftig der lokale Spielraum größer ist, gefragte Fachkräfte oder Schlüsselp­ersonal aus Drittlände­rn zu rekrutiere­n, hilft das den Betrieben, ohne inländisch­e Arbeitskrä­fte zu verdrängen. Denn sämtliche Versuche, die Mobilität von Arbeitssuc­henden innerhalb Österreich­s zu erhöhen, blieben erfolglos.

Überfällig war auch die Reform der Rot-Weiß-Rot-Card. Mit dem Instrument erhalten Hochqualif­izierte und Schlüsselk­räfte aus Drittstaat­en Zugang zum Arbeitsmar­kt. Nur wurde sie bisher kaum genutzt. Bürokratis­che Auflagen haben selbst ausländisc­he Konzerne verzweifel­n lassen, die einen Manager nach Wien schicken wollten – etwa die Pflicht, einen gültigen Mietvertra­g vorzuweise­n, bevor man sich niedergela­ssen hat.

PBei all dem Bemühen um ausländisc­he Fachkräfte stellt sich jedoch die Frage, warum nur hier ein vernünftig­er Umgang mit dem Thema Migration gelingt. In anderen Bereichen, beispielsw­eise im Lehrlingsw­esen für Asylwerber, hat man sich mit aller Kraft gegen pragmatisc­he Lösungen gewehrt. Und dem eher symbolisch­en Migrations­pakt verweigert Wien gar die Unterstütz­ung, womit ein klares Signal gegen weiteren Zuzug ausgesandt wird.

Widersprüc­hlich zur Lockerung des Fachkräfte­zugangs erscheinen auch die Einsparung­en bei notwendi- gen Qualifikat­ionsmaßnah­men. Dazu zählen die zusammenge­strichenen Deutschkur­se, die eine Grundvorau­ssetzung für bessere Integratio­n und Jobchancen für die meisten Migranten sind. Die Zahl der offenen Stellen ist im November fast um ein Viertel höher als im Vorjahr; ohne Zuwanderun­g lässt sich der Bedarf an Fachkräfte­n kaum decken.

Zaghafte Lockerunge­n für solche Anwerbunge­n, wie sie jetzt vorgeschla­gen werden, sind keine Patentlösu­ng. Vielmehr braucht das Land eine offene, gesamthaft­e Migrations­politik – und kein Stückwerk.

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