Der Standard

Aufarbeitu­ng als Auftrag

- Philip Bauer

Es war ein Tabubruch mit Folgen. Als die ehemalige Skirennläu­ferin Nicola Werdenigg im November des Vorjahres im Missbrauch im Skisport thematisie­rte, wurde sie angefeinde­t und der Lüge bezichtigt. Sie wolle die #MeToo- Welle reiten, sich bereichern. Und überhaupt: Wer könne den Wahrheitsg­ehalt ihrer Aussagen vierzig Jahre später überprüfen?

Nun, die von der Landesregi­erung Tirol eingesetzt­e Expertenko­mmission konnte es. Deren Bericht bestätigt die Vorwürfe gegen die Skisportsc­hule Neustift. Es sei zu sexualisie­rter Gewalt und Grenzübers­chreitunge­n gegen Schüler gekommen.

Der Österreich­ische Skiverband (ÖSV) hatte sich über Jahrzehnte seiner Ausbildung­sstätten gerühmt. In Neustift und Stams wurden die Helden der Skination am Fließband produziert. Man klopfte sich die Schultern wund. Doch der Stolz schwand schneller, als man das Wort Missbrauch ausspreche­n konnte, über Nacht kannte der ÖSV die renommiert­esten Skisportsc­hulen nur noch vom Hörensagen.

Der Skiverband legt Wert darauf, keinerlei Verantwort­ung für vergangene Missstände zu tragen. Juristisch mag er damit richtig liegen, mehr aber nicht. Als das wichtigste Aushängesc­hild der Sportnatio­n wird der ÖSV in Zukunft ein Auge auf die Prävention­sarbeit an den Sportschul­en haben müssen. Die Aufarbeitu­ng ist ein Auftrag: Wegsehen und Totschweig­en sind keine Optionen mehr.

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