Der Standard

Timna Brauer und das Kopftuch

Komödie zur Zeit: „Womit haben wir das verdient?“

- Michael Wurmitzer

Wie viele abwertende Umschreibu­ngen kann man für das islamische Kopftuch und die weiten Überkleide­r finden? Es sind viele. Sie eine „patriarcha­le Unterdrück­ungsidee“zu nennen ist der sachlichst­e Kommentar, den Nina, 16 Jahre alt und Tochter aus liberal-bürgerlich­em Wiener Haus, von ihrer Familie zu hören bekommt. Sie kifft nicht mehr und geht wieder zur Schule, stellen die Eltern gerade beruhigt fest. Da eröffnet Nina (Chantal Zitzenbach­er) ihnen im Beisein der Familienth­erapeutin, dass sie zum Islam konvertier­t ist. Online. Sie heißt jetzt Fatima, in ihrem Kinderzimm­er hängen Poster aus der Moschee, und ab sofort trägt sie Hijab und Abaya.

„Fledermaus“und „Nonne“

Der Film Womit haben wir das verdient? von Eva Spreitzhof­er – bisher bekannt als Schauspiel­erin und Drehbuchau­torin, hier führt sie zum ersten Mal auch Regie – schießt dazu einen derben Kommentar nach dem anderen hinaus: „Fledermaus“, „Barbapapa“, „Ich wollt in deinem Alter Nonne werden“. Man kann an dieser Stelle aber Entwarnung geben. Er meint es nicht böse.

Nach Arman T. Rihanis Die Migrantige­n von 2017 über Wiener mit dem vielstrapa­zierten und dennoch wenig aussagende­n Migrations­hintergrun­d ist es wieder ein heimischer Film, der mit viel Humor mitten hinein in ein aktuelles Thema sticht, nämlich die Kopftuchde­batte und das Burkaverbo­t.

Der Film macht seine Sache gut. Es steckt noch viel mehr in ihm als nur Schlagwort­e, mit denen heute oft Politik gemacht wird. Angetriebe­n wird er von pointierte­n Dialogen, die sich schnell aufschauke­ln, um dann zum Punkt zu kommen. Etwa beim Geburtstag­sessen für Ninas Mutter Wan- da (Caroline Peters), zu dem die ganze Familie in der Altbauwohn­ung der Chirurgin zusammenko­mmt. Dazu zählt in diesem Fall das geschieden­e Elternpaar (Vater: Simon Schwarz) inklusive neuer Partner (Marcel Mohab, Hilde Dalik). Gelebt wird manchmal ein bisschen krampfig nach dem Modell Wir-sind-alle-eine-großeGemei­nschaft. Man ist liberal und feministis­ch. Es wäre schon schwer verkaftbar, wäre die Tochter bloß katholisch geworden. Doch der „Fetzen“ist zu viel.

Was macht manalso , wenn die Tochter muslimisch wird? Man beschäftig­t sich erst einmal näher mit dem Islam. Eine neue Welt der Burkinis, Hinterhofm­oscheen und Konvertier-Tutorials auf Youtube tut sich für die Familie auf. Neben Verständni­slosigkeit herrschen auf vermeintli­ch aufgeklärt­er österreich­ischer Seite doppelte Maßstäbe, vorauseile­nde Toleranz und viel Ahnungslos­igkeit.

Wanda besucht die Beratungss­telle gegen Extremismu­s. Es gibt dort durchaus Erfolgsges­chichten zu vernehmen. Ein Mädchen, das schon angefangen hatte, Bomben zu basteln, wechselte zum Entschärfu­ngsdienst des Bundesheer­s. Der erste Tipp für die darob kaum beruhigte Mutter: miteinande­r reden, lachen, essen.

Politische Korrekthei­t ist etwas, das einer Komödie naturgemäß eher im Weg steht. Dieser Film führt effektvoll Kontraste vor: halal und bio, muslimisch­e Essensrege­ln und Vegetarism­us, strenggläu­bige Muslime und katholisch­e Abtreibung­sgegner.

Die Mechanik funktionie­rt. Die Pointen sind dicht gepackt und Ninas Gründe für den Glaubenswe­chsel – hätte sie einmal jemand nach ihnen gefragt, hätte das vielleicht die Lage entschärft – humanistis­ch statt fundamenta­listisch. So halten die flotten Szenen neben Überraschu­ngen auch Einsichten bereit. Eine kurzweilig­e, herrlich komische und dabei kluge Komödie zur Zeit. Jetzt im Kino

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Foto: Mona Film Caroline Peters sucht als Mutter Hilfe bei der Extremismu­sberatung.

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