Der Standard

Niederöste­rreichs auf Harmonie bedachte Landeschef­in Johanna Mikl-Leitner stellt Gottfried Waldhäusl ein Ultimatum. Er gibt nach. Und legt sich mit der SPÖ an.

- Sebastian Fellner

Ein Wort kommt Johanna Mikl-Leitner am Dienstag nicht über die Lippen. „Ich will auch weiterhin auf Zusammenar­beit setzen, sowohl mit der SPÖ als auch mit der FPÖ“, sagte Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau (ÖVP) nach einer Sitzung der Landesregi­erung vor Journalist­en. In jeder anderen Situation hätte sie nicht von „Zusammenar­beit“, sondern vom „Miteinande­r“gesprochen.

Aber es ist eben keine Situation wie jede andere. Mikl-Leitners „Miteinande­r“, ihre Doktrin für Harmonie und Kooperatio­n im Land, hat ein paar hässliche Kratzer abbekommen. Verantwort­lich dafür ist Gottfried Waldhäusl, FPÖ-Landesrat für Asyl und Tierschutz – und der Stacheldra­ht, den er rund um eine Unterkunft für jugendlich­e Flüchtling­e in Drasenhofe­n anbringen ließ.

In Niederöste­rreich „entscheide­n Gerichte darüber, wer ins Gefängnis kommt oder nicht, nicht Politiker“, richtet die Landeshaup­tfrau dem Landesrat aus. Ein Stacheldra­ht habe in einem Quartier wie in Drasenhofe­n „nichts verloren“. Für die schwierige­n, teils schon mehrmals negativ aufgefalle­nen jungen Männer sei eine reine Verwahrung mit Verdacht auf Freiheitse­ntzug wie in Drasenhofe­n nicht der richtige Platz. Waldhäusls Vorgehen sieht Mikl-Leitner als „Provokatio­n“, die nicht mehr vorkommen dürfe. Sie gewährt dem blauen Landesrat noch eine „letzte Chance“.

Waldhäusls neuer Dreh

Zuvor hat die Landeshaup­tfrau Waldhäusl ein Ultimatum gestellt: Entweder er übernimmt die Verantwort­ung für die Jugendlich­en, die bis Ende der Vorwoche in Drasenhofe­n untergebra­cht waren, oder ihm wird die Verantwort­ung für die Asylagende­n entzogen. Nach einem vernichten­den Bericht der Kinder- und Jugendanwa­ltschaft wurden die Jugendlich­en in ein Quartier der Caritas verlegt – und wanderten damit in die Zuständigk­eit von Jugendland­esrätin Ulrike Königsberg­erLudwig (SPÖ).

Waldhäusl lenkte ein, nahm die Jugendlich­en wieder in die Grundverso­rgung seines Ressorts – und versuchte, der ganzen Geschichte seinen eigenen Dreh zu geben: Er freute sich, dass nach „einem Kompetenze­n-Wirrwarr“nun geklärt sei, dass er für die untergebra­chten Jugendlich­en zuständig sei. Die SPÖ habe die jungen Männer „in einer beispiello­sen, eigenmächt­igen Nachtund-Nebel-Aktion“in das CaritasQua­rtier St. Gabriel in Mödling gebracht. Dort wollte er noch am Dienstag einen Lokalaugen­schein absolviere­n und sich von der Caritas ein „Sicherheit­skonzept für St. Gabriel“vorlegen lassen. Die nun leere Unterkunft in Drasenhofe­n lege er auf Eis.

Die beiden roten Landesräte wollen Mikl-Leitner mit ihrer „letzten Chance“für Waldhäusl „beim Wort nehmen“– SP-Chef Franz Schnabl hegt aber „nur wenig Hoffnung auf Besserung“. Indra Collini, Landesspre­cherin der Neos, verweist auf die Verantwort­ung der ÖVP: Waldhäusl habe in der Landesregi­erung nichts verloren, das hätte die Landeshaup­tfrauparte­i erkennen müssen.

Demonstrat­ion in St. Pölten

Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser fordert, Waldhäusl die Kompetenze­n zu entziehen, denn „sensible Fragen gehören in sensible Hände“. SOS-MitmenschS­precher Alexander Pollak sieht ebenfalls eine vergebene Chance, Waldhäusl die Asylagende­n zu entziehen. Nun sei der nächste Schadensfa­ll programmie­rt. Auch Anny Knapp, Obfrau der Asylkoordi­nation Österreich, forderte den Ressortent­zug.

Vor dem Landhaus in St. Pölten demonstrie­rten am Dienstag in der Früh etwa 100 Menschen gegen den blauen Landesrat. Sie forderten Waldhäusls Rücktritt.

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