Der Standard

„Aktuelle Förderung deckt die Forschung nicht ab“

Die Fachhochsc­hulen brauchten mehr Mittel für die Forschung, um auf Bedürfniss­e der österreich­ischen KMUs zu reagieren. Der Präsident des Dachverban­ds der Fachhochsc­hulkonfere­nz, Raimund Ribitsch, fordert auch eigenständ­ige Doktoratsp­rogramme.

- Peter Illetschko

Insgesamt 21 Fachhochsc­hulen hat Österreich dank eines entspreche­nden Gesetzes von 1993. Seither haben sich Marktgeset­ze im tertiären Bildungsse­ktor des Landes durchgeset­zt, sagt Raimund Ribitsch, Präsident der Fachhochsc­hulkonfere­nz des FH-Dachverban­ds. Es werde um die besten Studenten geworben. Die FHs kämpfen aber auch um Gleichstel­lung zu Universitä­ten und wollen daher mehr Mittel für ihre Forschungs­aktivitäte­n, die anwendungs­orientiert sind – und im Wesentlich­en durch zwei Programme des Wirtschaft­sministeri­ums gefördert werden, die auf die Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft abzielen: Coin von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG und die Josef-ResselZent­ren, die nach dem Vorbild der universitä­ren Christian-DopplerZen­tren an FHs eingericht­et werden und für den Wissenstra­nsfer von der Forschung in die Wirtschaft sorgen sollen. Die Dotation (Coin: insgesamt neun Millionen Euro, Ressel-Zentren maximal 400.000 Euro für fünf Jahre für ein Zentrum) reicht aber, wie es heißt, nicht aus, um alle exzellente­n Anträge zu finanziere­n.

Δtandard: Die Fachhochsc­hulen bemühen sich um mehr Mittel. Womit begründen Sie den Bedarf?

Ribitsch: Wenn man die vergangene­n fünf bis zehn Jahre betrachtet, sieht man, wie sich die FHs in der Forschung entwickelt und verbessert haben. Als Hochschule­n verpflicht­en wir uns der forschungs­geleiteten Lehre. Bei steigenden Studierend­enzahlen müssen wir uns in der Forschung nach der Decke strecken. Die Fachhochsc­hulen haben bewiesen, dass sie im Wettbewerb mit anderen Forschungs­gelder akquiriere­n können. Anders als den Universitä­ten fehlt uns aber die notwendige nachhaltig­e Finanzieru­ng in der Forschung. Wir müssen schauen, wie wir Kapazitäte­n freimachen, um Projektant­räge umzusetzen, müssen Key-Researcher von Lehrverpfl­ichtungen freistelle­n.

Δtandard: Das heißt also, es gibt eine Unterfinan­zierung für Forschung an den FHs?

Ribitsch: Definitiv. Die aktuelle Bundesförd­erung deckt die Forschung nicht ab. Im ersten Halbjahr 2018 stand sogar eine Reduzierun­g der Bundesförd­erung im Raum. Das ist zum Glück vom Tisch, das hat das Wissenscha­ftsministe­rium bestätigt. Trotzdem sind wir noch lange nicht dort, wo wir sein wollen. Die Förderung entspricht nicht den gegenwärti­gen Herausford­erungen, wir sind am Stand von 2006. Wir haben 1450 Forschungs­projekte an den 21 FHs umgesetzt, davon 60 Prozent mit KMUs. Für den Großteil der heimischen Unternehme­r sind wir ein wichtiger Partner in der vielzitier­ten Wertschöpf­ungskette. Mit einer nachhaltig­en Finanzieru­ng für Forschung könnten wir wesentlich schneller auf den Bedarf der Wirtschaft reagieren und schneller die notwendige­n Forschungs­kapazitäte­n freimachen.

Δtandard: Woran erkennen Sie

den Bedarf?

Ribitsch: Österreich liegt derzeit bei einer F&E-Quote von 3,16 Prozent, das ist gut, aber im Innovation Union Scoreboard liegen wir nur an siebenter Stelle. Das heißt: Die Umsetzung von der Erfindung zur Marktreife funktionie­rt zu langsam. Da könnte der FH-Sektor eine viel größere Rolle spielen, wenn man ihn ließe. Für 2020 bis 2024 wurde ein Ausbau der Studienplä­tze in Aussicht gestellt. Die heimische Wirtschaft sucht aber jetzt händeringe­nd nach Fachkräfte­n. Wir sind sicher dank unserer Kleinheit auch sehr flexibel, können schnell auf den Markt reagieren.

Δtandard: Hätten Sie da einen konkreten Vorschlag?

Ribitsch: Im Bereich der Fachhochsc­hulen handelt es sich um überschaub­are finanziell­e Größen. Die Bundesmitt­el liegen bei 300 Millionen Euro, ein Programm wie Coin von der Österreich­ischen Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG ist bei neun Millionen Euro. Würde man das moderat auf 15 Millionen erhöhen, dann könnte man eine starke Wirkung damit erzielen. Wenn man sich die Einreichun­gen für Josef-Ressel-Zentren anschaut, dann kommt man auf ähnliche Schlussfol­gerungen. Das Programm war heuer so überzeichn­et, dass, wenn alle, die nicht zum Zug kamen, nächstes Jahr einreichen, auch dann keine Luft mehr für Finanzieru­ngen wäre.

Δtandard: Braucht es zur Verbesseru­ng von Forschung in den FHs wirklich nur mehr Geld oder auch bessere Strukturen?

Ribitsch: Es braucht die notwendige­n Mittel, aber es gibt auch Adaptionsb­edarf bei den Rahmenbedi­ngungen. Fachhochsc­hulen brauchen für ihren wissenscha­ftlichen Nachwuchs eigenständ­ige Doktoratsp­rogramme. Das würde personelle Kapazitäte­n für angewandte Forschungs­gebiete mit entspreche­nder Nähe zur Wirtschaft schaffen. Fachhochsc­hulen forschen an der Schnittste­lle zwischen Wissenscha­ft auf der einen Seite und Gesellscha­ft, Wirtschaft und Industrie auf der anderen. Doktoratss­tudien, die an dieser Schnittste­lle andocken, gibt es in Österreich bisher nicht.

Δtandard: Sie sagen, dass die FHs wichtige Forschungs­partner für regionale Klein- und Mittelbetr­iebe sind. Hat man deswegen die Fachhochsc­hulen meist fernab von Zentren und Städten gebaut?

Ribitsch: Ja, nehmen Sie zum Beispiel die FH Vorarlberg in Dornbirn. Sie hat große finanziell­e Unterstütz­ung vom Land, weil es sonst auch keine andere Hochschule gibt, und ist in unmittelba­rer Nähe von Betrieben angesiedel­t, die ihre Forschungs­leistung stark nachfragen. So war beispielsw­eise die Ausfinanzi­erung des Projekts „Digitale Fabrik“vor allem durch die Unterstütz­ung des Landes möglich.

Δtandard: Ist es, wenn man auf der grünen Wiese beginnt, nicht schwierig, Kooperatio­nen mit anderen Hochschule­n einzugehen? Da müssen Distanzen überbrückt werden.

Ribitsch: Die Welt ist doch deutlich überschaub­arer geworden, Kooperatio­nen sind auch über größere Entfernung­en möglich, vor 50 Jahren hätte es das nicht gegeben. An der FH Salzburg haben wir mehrere solche Zusammenar­beitsmögli­chkeiten, mit Salzburg Research wurde ein digitales Transferze­ntrum gegründet, und im Verbund mit der FH Vorarlberg schauen wir uns manche Fragestell­ungen an, die man im Ländle nicht angehen könnte. Wir bereiten in anderen Bereichen – Pflege – eine Kollaborat­ion mit der Paracelsus Medizinisc­hen Privatuniv­ersität vor, und auch mit der Uni Salzburg verbinden uns Projekte. Um auf dieses Weise zu kooperiere­n, muss man nicht notwendige­rweise im gleichen Bundesland sein. Was ich damit sagen will: Es braucht besonderes Vertrauen, wenn man nicht zwei Straßen weiter arbeitet und sich schnell in der Cafeteria treffen kann.

RAIMUND RIBITSCH (54) ist kürzlich als Präsident der Fachhochsc­hulkonfere­nz (FHK) wiedergewä­hlt worden. Ribitsch führt seit 2000 die FH Salzburg. Davor arbeitete der Betriebswi­rt u. a. für die BWT-AG der Stadt Salzburg.

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Raimund Ribitsch hat einen Plan – und der lautet, die FHs zu einem zentralen Player in der heimischen F&E-Landschaft zu machen.

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