„Aktuelle Förderung deckt die Forschung nicht ab“
Die Fachhochschulen brauchten mehr Mittel für die Forschung, um auf Bedürfnisse der österreichischen KMUs zu reagieren. Der Präsident des Dachverbands der Fachhochschulkonferenz, Raimund Ribitsch, fordert auch eigenständige Doktoratsprogramme.
Insgesamt 21 Fachhochschulen hat Österreich dank eines entsprechenden Gesetzes von 1993. Seither haben sich Marktgesetze im tertiären Bildungssektor des Landes durchgesetzt, sagt Raimund Ribitsch, Präsident der Fachhochschulkonferenz des FH-Dachverbands. Es werde um die besten Studenten geworben. Die FHs kämpfen aber auch um Gleichstellung zu Universitäten und wollen daher mehr Mittel für ihre Forschungsaktivitäten, die anwendungsorientiert sind – und im Wesentlichen durch zwei Programme des Wirtschaftsministeriums gefördert werden, die auf die Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft abzielen: Coin von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG und die Josef-ResselZentren, die nach dem Vorbild der universitären Christian-DopplerZentren an FHs eingerichtet werden und für den Wissenstransfer von der Forschung in die Wirtschaft sorgen sollen. Die Dotation (Coin: insgesamt neun Millionen Euro, Ressel-Zentren maximal 400.000 Euro für fünf Jahre für ein Zentrum) reicht aber, wie es heißt, nicht aus, um alle exzellenten Anträge zu finanzieren.
Δtandard: Die Fachhochschulen bemühen sich um mehr Mittel. Womit begründen Sie den Bedarf?
Ribitsch: Wenn man die vergangenen fünf bis zehn Jahre betrachtet, sieht man, wie sich die FHs in der Forschung entwickelt und verbessert haben. Als Hochschulen verpflichten wir uns der forschungsgeleiteten Lehre. Bei steigenden Studierendenzahlen müssen wir uns in der Forschung nach der Decke strecken. Die Fachhochschulen haben bewiesen, dass sie im Wettbewerb mit anderen Forschungsgelder akquirieren können. Anders als den Universitäten fehlt uns aber die notwendige nachhaltige Finanzierung in der Forschung. Wir müssen schauen, wie wir Kapazitäten freimachen, um Projektanträge umzusetzen, müssen Key-Researcher von Lehrverpflichtungen freistellen.
Δtandard: Das heißt also, es gibt eine Unterfinanzierung für Forschung an den FHs?
Ribitsch: Definitiv. Die aktuelle Bundesförderung deckt die Forschung nicht ab. Im ersten Halbjahr 2018 stand sogar eine Reduzierung der Bundesförderung im Raum. Das ist zum Glück vom Tisch, das hat das Wissenschaftsministerium bestätigt. Trotzdem sind wir noch lange nicht dort, wo wir sein wollen. Die Förderung entspricht nicht den gegenwärtigen Herausforderungen, wir sind am Stand von 2006. Wir haben 1450 Forschungsprojekte an den 21 FHs umgesetzt, davon 60 Prozent mit KMUs. Für den Großteil der heimischen Unternehmer sind wir ein wichtiger Partner in der vielzitierten Wertschöpfungskette. Mit einer nachhaltigen Finanzierung für Forschung könnten wir wesentlich schneller auf den Bedarf der Wirtschaft reagieren und schneller die notwendigen Forschungskapazitäten freimachen.
Δtandard: Woran erkennen Sie
den Bedarf?
Ribitsch: Österreich liegt derzeit bei einer F&E-Quote von 3,16 Prozent, das ist gut, aber im Innovation Union Scoreboard liegen wir nur an siebenter Stelle. Das heißt: Die Umsetzung von der Erfindung zur Marktreife funktioniert zu langsam. Da könnte der FH-Sektor eine viel größere Rolle spielen, wenn man ihn ließe. Für 2020 bis 2024 wurde ein Ausbau der Studienplätze in Aussicht gestellt. Die heimische Wirtschaft sucht aber jetzt händeringend nach Fachkräften. Wir sind sicher dank unserer Kleinheit auch sehr flexibel, können schnell auf den Markt reagieren.
Δtandard: Hätten Sie da einen konkreten Vorschlag?
Ribitsch: Im Bereich der Fachhochschulen handelt es sich um überschaubare finanzielle Größen. Die Bundesmittel liegen bei 300 Millionen Euro, ein Programm wie Coin von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG ist bei neun Millionen Euro. Würde man das moderat auf 15 Millionen erhöhen, dann könnte man eine starke Wirkung damit erzielen. Wenn man sich die Einreichungen für Josef-Ressel-Zentren anschaut, dann kommt man auf ähnliche Schlussfolgerungen. Das Programm war heuer so überzeichnet, dass, wenn alle, die nicht zum Zug kamen, nächstes Jahr einreichen, auch dann keine Luft mehr für Finanzierungen wäre.
Δtandard: Braucht es zur Verbesserung von Forschung in den FHs wirklich nur mehr Geld oder auch bessere Strukturen?
Ribitsch: Es braucht die notwendigen Mittel, aber es gibt auch Adaptionsbedarf bei den Rahmenbedingungen. Fachhochschulen brauchen für ihren wissenschaftlichen Nachwuchs eigenständige Doktoratsprogramme. Das würde personelle Kapazitäten für angewandte Forschungsgebiete mit entsprechender Nähe zur Wirtschaft schaffen. Fachhochschulen forschen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft auf der einen Seite und Gesellschaft, Wirtschaft und Industrie auf der anderen. Doktoratsstudien, die an dieser Schnittstelle andocken, gibt es in Österreich bisher nicht.
Δtandard: Sie sagen, dass die FHs wichtige Forschungspartner für regionale Klein- und Mittelbetriebe sind. Hat man deswegen die Fachhochschulen meist fernab von Zentren und Städten gebaut?
Ribitsch: Ja, nehmen Sie zum Beispiel die FH Vorarlberg in Dornbirn. Sie hat große finanzielle Unterstützung vom Land, weil es sonst auch keine andere Hochschule gibt, und ist in unmittelbarer Nähe von Betrieben angesiedelt, die ihre Forschungsleistung stark nachfragen. So war beispielsweise die Ausfinanzierung des Projekts „Digitale Fabrik“vor allem durch die Unterstützung des Landes möglich.
Δtandard: Ist es, wenn man auf der grünen Wiese beginnt, nicht schwierig, Kooperationen mit anderen Hochschulen einzugehen? Da müssen Distanzen überbrückt werden.
Ribitsch: Die Welt ist doch deutlich überschaubarer geworden, Kooperationen sind auch über größere Entfernungen möglich, vor 50 Jahren hätte es das nicht gegeben. An der FH Salzburg haben wir mehrere solche Zusammenarbeitsmöglichkeiten, mit Salzburg Research wurde ein digitales Transferzentrum gegründet, und im Verbund mit der FH Vorarlberg schauen wir uns manche Fragestellungen an, die man im Ländle nicht angehen könnte. Wir bereiten in anderen Bereichen – Pflege – eine Kollaboration mit der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität vor, und auch mit der Uni Salzburg verbinden uns Projekte. Um auf dieses Weise zu kooperieren, muss man nicht notwendigerweise im gleichen Bundesland sein. Was ich damit sagen will: Es braucht besonderes Vertrauen, wenn man nicht zwei Straßen weiter arbeitet und sich schnell in der Cafeteria treffen kann.
RAIMUND RIBITSCH (54) ist kürzlich als Präsident der Fachhochschulkonferenz (FHK) wiedergewählt worden. Ribitsch führt seit 2000 die FH Salzburg. Davor arbeitete der Betriebswirt u. a. für die BWT-AG der Stadt Salzburg.