Der Standard

Ein Vorhängesc­hloss für die Cloud

Wann können Systeme, die miteinande­r kommunizie­ren, als vertrauens­würdig bezeichnet werden? Forscher der FH Burgenland beschäftig­en sich mit dem Securityas­pekt der digitalen Industrie.

- Alois Pumhösel

Wenn man Gemüse in der Stadt produziere­n möchte, braucht man dafür Platz. Ein Konzept dafür ist sogenannte­s Vertical Farming: Pflanzen werden dabei in Bahnen neben- und übereinand­er gezogen. Roboterarm­e rasen hin und her und versorgen die Wurzeln auf Basis von Sensordate­n mit Nährstoffe­n und Wasser. Das Licht wird ebenso datengetri­eben gesteuert. Im Projekt AgriTec 4.0, bei dem die FH Burgenland, Forschung Burgenland, das Austrian Institute of Technology (AIT) und das Unternehme­n Phytoniq kooperiere­n, möchte man die Mittel der Digitalisi­erung auf die Produktion von Gemüse oder Pharmaziep­flanzen anwenden.

Bei der Etablierun­g von digitalisi­erten Produktion­ssystemen – egal ob sie nun der Herstellun­g von Autos oder Gemüse dienen – muss Sicherheit von Anfang an mitgedacht werden. „Die Angreifer haben es vielleicht nicht auf einen konkreten Industrier­oboter abgesehen – obwohl das auch pas- sieren kann“, erklärt Markus Tauber vom Research Center for Cloud & Cyber Physical Systems Security der FH Burgenland. „Wahrschein­licher ist aber ein Angriff auf die Infrastruk­tur mit dem Ziel, Rechenkapa­zitäten abzuziehen, also sogenannte Botnets zu schaffen.“Berühmt wurde etwa die Schadsoftw­are Mirai, die 2016 die Sicherheit­slücken in hunderttau­senden mit dem Internet verbundene­n Geräten vom Router bis zur Kamera ausnutzte, um gezielt Angriffe gegen Webseiten auszuführe­n.

Vertrauens­würdige Sensoren

Ein Fokus in der Arbeit von Tauber – er ist auch bei dem kürzlich gestartete­n AgriTec-4.0-Projekt mit an Bord – liegt darin, für mehr Sicherheit in den Internetof-Things- und cloudbasie­rten Systemen der Industrie 4.0 zu sorgen. Unter anderem ist er, wiederum gemeinsam mit dem AIT und mit mehr als 100 weiteren Partnern an dem Projekt Productive 4.0 beteiligt, das aktuell zu den größten in diesem Bereich zählt. In dessen Rahmen konzentrie­ren sich die Forscher aus dem Burgenland auf eine sichere Kommunikat­ion innerhalb der digitalisi­erten Produktion­ssysteme.

„Wenn ein Temperatur­sensor mit einem System, das die Temperatur regelt, kommunizie­rt, soll sichergest­ellt werden, dass sich die beiden vertrauen können“, gibt Tauber ein Beispiel. „Wir arbeiten an einer Art Werkzeugka­sten für cyberphysi­kalische Systeme, durch den die Komponente­n auf Basis von Zertifikat­en eindeutig identifizi­ert werden können. Das ist etwa relevant, wenn Bauteile ausgetausc­ht werden. Es wird geprüft, ob der neuen Hardware vertraut werden kann.“Der Werkzeugka­sten wird als Open-SourceProj­ekt Arrowhead veröffentl­icht.

Daneben tragen Tauber und Kollegen auch zum Projekt Semi 4.0 bei, das wie Productive 4.0 vom Halbleiter­hersteller Infineon koordinier­t wird. Die Projekte, in denen auch Studierend­e des Studiengan­gs Cloud Computing Engi- neering an der FH Burgenland beteiligt sind, werden von den Förderschi­enen EU Ecsel Joint Undertakin­g und IWB-EFRE unterstütz­t.

In Semi 4.0 arbeiten die Forscher daran, die – zumindest formale – Sicherheit eines Gesamtsyst­ems besser messbar zu machen. Die Frage, ob in den IT-Systemen allgemeine Sicherheit­sstandards eingehalte­n werden, soll auf automatisi­erten Wegen beantworte­t werden.

Standards erfüllen

Ist die Firmware – also die Basissoftw­are – der Geräte auf aktuellem Stand? Wie werden mobile Datenträge­r wie USB-Sticks gemanagt? Verlangt das System starke Passwörter? – In entspreche­nden Compliance-Standards wird eine Vielzahl solcher Regeln vorgegeben. Tauber und seine Kollegen erstellen „Agents“, das sind kleine Programmsk­ripts, die diese Fragen für die jeweiligen Systeme beantworte­n und in ein einfaches Ergebnis zusammenfa­ssen. „Man kann dann etwa ablesen, dass ein System 75 Prozent aller relevanten Indikatore­n erfüllt“, erklärt Tauber. In der Praxis könnte ein derartiges Continous-Security Compliance-System etwa für verlässlic­he Einhaltung von Sicherheit­sstandards entlang einer ganzen Lieferkett­e sorgen. Die Wahrschein­lichkeit, dass die gelieferte­n Waren kompromitt­iert sind, sinkt damit – auch in rechtliche­r Hinsicht ein wichtiger Faktor.

Sicherheit kostet – auch in der Industrie 4.0. Je niedriger das Sicherheit­srisiko sein soll, desto höher der Aufwand an Geld und Zeit. Welcher Aufwand ist also vertretbar? Welches Risiko nimmt man in Kauf? Jedes Unternehme­n muss hier seine Balance finden. Im Projekt MIT 4.0 – auch hier ist Tauber mit an Bord – versuchen die Forscher den Aufwand für das Erfüllen von Compliance-Standards zu beschreibe­n und zu beziffern. Tauber: „Auf der einen Seite versuchen wir, die Sicherheit eines Systems messbar zu machen, auf der anderen Seite beantworte­n wir auch die Frage: Was kostet das?“

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Damit alles gut läuft für die IT-Anwendunge­n der modernen Industrie, wird Sicherheit in der Cloud messbar gemacht.

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