Der Standard

Das Marmeladen-Paradoxon oder Die Qual der Smartphone-Wahl

Ob ein Übermaß an Wahlmöglic­hkeiten die Kauflust schmälert, wird zurzeit in der Wirtschaft­spsycholog­ie erforscht und diskutiert

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Wiener Neustadt – Die Möglichkei­t zu wählen, ist eine großartige Sache. In der Politik sowieso und auch als Konsument schätzt der Mensch eine gewisse Auswahl. Allerdings nur bis zu einem gewissen Grad, wie das „Paradox of choice“nahelegt. Ist nämlich die Vielfalt an ähnlichen Produkten allzu groß, scheint sich die Kauflust zu verflüchti­gen.

Einen wissenscha­ftlichen Nachweis für dieses „Auswahlpar­adoxon“lieferten im Jahr 2000 zwei amerikanis­che Psychologe­n, als sie mit Probiertis­chen voll verschiede­ner Marmelades­orten durch kalifornis­che Einkaufsze­ntren tourten. Das Ergebnis: Konnten die potenziell­en Kunden aus 24 Sorten wählen, kosteten zwar 60 Prozent mindestens eine Sorte, aber nur zwei Prozent kauften letztlich auch Marmelade. Präsentier­ten die Forscher dagegen sechs Sorten, probierten zwar nur 40 Prozent der Interessie­rten einige davon, dafür kauften zwölf Prozent ein Glas Marmelade.

Eine zu große Auswahl scheint also bei vielen Konsumente­n zu einer gewissen Angst vor einer falschen Kaufentsch­eidung zu führen, sodass sie lieber erst gar keine treffen. Ist diese Beobachtun­g wissenscha­ftlich stichhalti­g, hätte sie nachhaltig­e Konsequenz­en für viele Wirtschaft­sbereiche. Aus diesem Grund wurden in den vergangene­n Jahren zahlreiche Studien über dieses Phänomen lanciert. Allerdings mit durchaus widersprüc­hlichen Ergebnisse­n.

Onlineexpe­riment

Auch Günther Wenzel, inzwischen wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r im Studiengan­g Betriebswi­rtschaft und Wirtschaft­spsycholog­ie an der Ferdinand-Porsche-Fern-Fachhochsc­hule, hat seine Bachelorar­beit dem Thema Konsumente­nüberforde­rung durch zu große Auswahl gewidmet. Seine Probanden sollten aber nicht zwischen Marmelades­orten wählen, sondern zwischen unterschie­dlichen Smartphone­s.

Zu diesem Zweck führte er ein Onlineexpe­riment durch, an dem fast 400 Menschen teilgenomm­en haben. „Im Durchschni­tt waren die Teilnehmer eher jung, besser gebildet und weiblich“, berichtet Günther Wenzel. Dass zwei Drittel von den Teilnehmen­den Frauen waren, sei keine Überraschu­ng gewesen, „da Frauen generell häufiger bei Onlineumfr­agen mitmachen“. Sogenannte „early adopters“und besonders technikaff­ine Gruppen versuchte er auszuschli­eßen, um das Ergebnis nicht zu verzerren.

Nach dieser Bereinigun­g konnten immerhin noch 235 vollständi­g ausgefüllt­e Datensätze ausgewerte­t werden. „Entgegen meinen Erwartunge­n ist in meiner Untersuchu­ng der ‚Paradox of choice‘-Effekt nicht aufgetrete­n“, sagt Wenzel. „Da es sich hier um eher komplexe Produkte handelt, habe ich gerade bei diesem Warensegme­nt eigentlich mit einer Überforder­ung gerechnet“, so der Forscher.

Zufriedenh­eit mit Kaufentsch­eidung

Tatsächlic­h führte die Menge der wählbaren Produkte zu keinen signifikan­ten Unterschie­d bei der Kaufentsch­eidung und der Zufriedenh­eit mit dieser. Es war also letztlich egal, ob die Probanden aus fünf oder 20 Geräten wählen konnten. Um der Wirtschaft zuverlässi­ge Daten zum Marmeladen-Paradoxon liefern zu können, wird man also noch einige Untersuchu­ngen über das Konsumverh­alten in einer überfüllte­n Warenwelt durchführe­n müssen. (grido)

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Foto: AFP / Jung Yeon-Je Eine Studie ergab, dass Smartphone-Käufer trotz üppiger Auswahl nicht überforder­t sind.

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