Der Standard

Haarige Angelegenh­eit

Nach Gucci und Versace setzt nun auch die Luxusmarke Chanel auf pelzfreie Produkte. Heimische Kürschner beunruhigt die Entwicklun­g nicht.

- Nora Laufer

Exakt 334 Diamanten, eine 18Karat-Goldkette und weißes Krokodille­der: Chanels „Diamond Forever“zählt mit einem Preis von 261.000 US-Dollar zu den teuersten Handtasche­n der Welt. Der Wert der Tasche, von der lediglich 13 Stück produziert wurden, dürfte bald weiter steigen: Chanel hat diese Woche angekündig­t, künftig keine exotischen Tierhäute und Pelze mehr einzusetze­n.

Die Marke ist nicht das erste Luxuslabel, das auf diese Tierproduk­te verzichtet: Größen wie Gucci, Versace, Burberry oder Armani haben in den vergangene­n Jahren angekündig­t, keinen Pelz mehr in ihren Kollektion­en einzusetze­n. „Ich will keine Tiere mehr töten, um Mode zu machen“, sagte etwa Designerin Donatella Versace im März dieses Jahres. Gucci-Chef Marco Bizzarri begründete den Pelzverzic­ht mit dem Argument, Nachhaltig­keit sei Kernbestan­dteil des Geschäftes. Auch Chanel argumentie­rte, dass es zunehmend schwierige­r werde, Häute und Leder aus Quellen zu beziehen, die den qualitativ­en Standards des Unternehme­ns entspreche­n würden. Das Luxuslabel will künftig auf Leder setzen, das als Nebenprodu­kt der Nahrungsmi­ttelindust­rie anfällt.

Tierschutz­organisati­onen wie Vier Pfoten bezeichnen den Vorstoß als „einen Grund zu feiern“. Nach Angaben der Tierschütz­er werden weltweit nach wie vor mehr als 100 Millionen Tiere pro Jahr von der Pelzindust­rie getötet. Auch Häute von Tieren wie Krokodilen oder Schlangen, die oft für die Produktion von Handtasche­n und Schuhen herhalten müssen, seien bedenklich: „Das Hauptprobl­em ist die Haltung“, sagt Martina Pluda von Vier Pfoten im Gespräch mit dem

Δtandard: „Die Tiere werden in Betongrube­n gehalten.“Während freilebend­e Krokodile ein Lebensalte­r von bis zu 80 Jahren erreichen, würden jene in Zuchten nach drei Jahren – oft ohne Betäubung – geschlacht­et werden, kritisiert die Tierschütz­erin. In Österreich sind Pelzfarmen seit 2005 verboten.

Hinzu käme auch der ökologisch­e Aspekt: „Die Zucht ist energieauf­wendig, und Fäkalien verunreini­gen Böden und Grundwasse­r“, sagt Pluda. Gehäutete Tiere würden in vielen Fällen nicht gegessen werden und im Müll landen. Bei der Produktion von Pelz kämen außerdem Chemikalie­n zum Einsatz, die Mensch und Natur schaden.

Das stimmt so nicht, meint hingegen Otmar Sladky, Bundesinnu­ngsmeister der Berufsgrup­pe Kürschner, Präparator­en und Gerber: „Bei Pelz vom Einsatz von schädliche­n Chemikalie­n zu reden ist schlichtwe­g falsch.“Pelz sei ein natürliche­s Produkt, die Materialen, die in Österreich verarbeite­t werden, würden hauptsächl­ich aus der Hegejagd stammen beziehungs­weise ein Nebenprodu­kt der Nahrungsmi­ttelindust­rie sein.

Als Beispiel nennt Sladky den Rotfuchs: „Den müssen wir nicht züchten, wir haben genug.“Allein in Österreich werden jährlich 50.000 bis 60.000 Rotfüchse getötet: „Der Großteil davon landet in der Tierkörper­verwertung.“Die Industrie würde hingegen vermehrt Pelz aus Kunststoff einsetzen – und damit erst recht die Umwelt belasten, kritisiert Sladky.

Trotz der zunehmende­n Kritik erlebt die Pelzbranch­e weltweit seit Jahren einen Aufschwung. Das Luxusprodu­kt erfreut sich vor allem in China wachsender Beliebthei­t. In Österreich erlebte die Branche in den vergangene­n Jahrzehnte­n hingegen eine Krise, die sich erst langsam wieder löst: Gab es in den 1960er-Jahren noch mehr als 570 Kürschner, Präparator­en und Gerber in Wien, sind es heute nur noch an die 70, sagt Sladky: „Bei uns gab es eine große Veralterun­g und keinen Nachwuchs.“In den vergangene­n Jahren sei das Interesse an dem Beruf wieder gestiegen. Vor allem Modeschüle­r würden zunehmend Interessen an Pelzen zeigen: „Mittlerwei­le ist das Interesse von Modeschüle­rn größer als die Zahl an Kürschnern, die ausbilden möchten.“

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Ein Bild, das bald der Vergangenh­eit angehören wird. Mit dem Slogan „No more Croco for Coco“verabschie­det sich Chanel von dem Einsatz von Pelz und exotischen Tierhäuten.

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