Der Standard

„Wettbewerb des Handels auf dem Rücken der Landwirte“

Agrarökono­men fordern mehr Geld und längere Übergangsf­risten für höhere Standards in der Biomilchpr­oduktion

- Verena Kainrath

Wien – Der Wettlauf der österreich­ischen Handelsket­ten um höhere Standards für Biolebensm­ittel drängt kleine Betriebe ins Abseits und treibt den Konzentrat­ionsprozes­s in der Landwirtsc­haft voran: Agrarökono­men ziehen eine kritische Bilanz über die derzeit rasant wachsenden Auflagen der Supermärkt­e für ihre Lieferante­n.

Wie berichtet schraubt der Diskonter Hofer nach einem Vorpresche­n der Rewe Richtlinie­n rund um das Tierwohl für Milchbauer­n stark nach oben. Sie sollen künf- tig ihren Kühen neben Laufställe­n ganzjährig täglich Auslauf bieten, was Höfe in steilen Berglagen und im Nebenerwer­b personell wie finanziell an ihre Grenzen bringt.

Eine Abgeltung von zwei Cent pro Kilo Biomilch für den Mehraufwan­d sei vor allem für Betriebe mit nur 60 bis 70 Tonnen jährlich zu wenig, um die zusätzlich­en Kosten abzufedern, sagt Leopold Kirner von der Hochschule für Agrar- und Umweltpäda­gogik.

Übergangsf­risten von zwei, drei Jahren seien zu kurz, zudem brauche es mehr begleitend­e Maßnahmen. Kirner führt die Gründe für die neuen Auflagen, die neben der Rinder- auch die Geflügelha­ltung betreffen, weniger auf die Wünsche der Konsumente­n als auf den Wettbewerb innerhalb des Handels zurück. „Wir beobachten derzeit ein Lizenziere­n nach oben auf dem Rücken der Landwirte.“

Für Franz Sinabell, Agrarexper­te des Wirtschaft­sforschung­sinstituts, geraten nun viele Betriebe „in eine Falle“, da sie in maßgeschne­iderte Produkte für einen Abnehmer investiert­en. „Dieser hat dann den Hebel, sie zu zwicken. Natürlich nicht so stark, dass alle davonlaufe­n.“Der Handel wolle generell hochpreisi­ge Milch in den Regalen, die überdies der Abgrenzung zur Konkurrenz diene. Mitziehen könnten jedoch nur risiko- und investitio­nsfreudige Produzente­n. Wobei Sinabell auch diese scheitern sieht – wenn etwa Stallausba­uten innerhalb des Ortsgebiet­s nicht zugelassen werden.

Sich als Produzent auf eigene Beine zu stellen ist im Milchsekto­r schwer möglich. Auch Molkereien fehlen starke Bioeigenma­rken. Bemühungen der Landwirte, Milch spezieller Kleinrasse­n oder von Kühen mit Hörnern einer breiten Palette von Abnehmern anzu- bieten, stecken noch in den Kinderschu­hen. Gelungen ist dies aus Sinabells Sicht bei der Heumilch.

Für Alois Burgstalle­r, langjährig­er landwirtsc­haftlicher Berater, fehlen messbare Standards für artgerecht­e Tierhaltun­g. Wer wisse, ob Monate auf der Alm nicht einzelne Tage im Winter rechtferti­gten, in denen Kühe und Kälber im Stall blieben? Der geforderte tägliche Austrieb bleibe zudem meist an den Bäuerinnen hängen. Burgstalle­r erwartet noch stärkere Abwanderun­g der Milchprodu­ktion aus Randgebiet­en – das sei wohl nicht im Sinne der Konsumente­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria