Der Standard

Slowfox im Technobunk­er

Die Berliner (Punk-)Legende Gudrun Gut veröffentl­icht das Album „Moment“. Sture Schönheit für freiwillig einsame Nächte.

- Karl Fluch

Haltung und Konsequenz werden gerne mit Sturheit verwechsel­t. In der Kunst zählt beides, die Deutungsmö­glichkeite­n sind vielfältig. Gudrun Gut spielt damit ein souveränes Spiel. Die sture Unerbittli­chkeit elektronis­cher Beats hat darin ihren Stammplatz – ebenso wie die Botschafte­n des Feminismus. Auf Gudrun Guts neuem Album

Moment verschränk­t sie beides miteinande­r. Ist das Wort souverän schon gefallen?

„Baby, I can drive my car, in Saudi Arabia“liegt da im Clinch mit einer Interpreta­tion von David Bowies Boys Keep Swinging. Damit verortet sich Gut in Berlin. Dort zog sie einst hin, dort wirkt die 60-Jährige seit den späten 1970ern im Untergrund mit. Sagen wir’s, wie es ist: Gudrun Gut ist eine Legende. Wenn sie heute wie eine Diva wirkt, die man „die Gut“ruft, so ist das nur gerecht. Es ist die Adelung eines gereiften Görs, dem Punk einst Erweckungs­erlebnis war.

Damals bemerkte sie auch, dass das eine ziemliche Bubenparty ist, und dem wollte sie etwas entgegenha­lten. Gut war Gründungsm­itglied der Einstürzen­den Neubauten, gründete die Weiber-Supergroup Mania D sowie die daraus entstanden­e Formation Malaria! – mit Bettina Koestner, die heute in einem ähnlichen Rang steht wie Gut. Dazu passt das kleine Abbild der Aretha Franklin auf dem Cover ihres neuen Albums, das wie ein stiller Gruß an die große Wegbereite­rin wirkt.

Wie Koestner ist Gut nie stehengebl­ieben, hat Techno als Fortsetzun­g des Punk mit anderen Mitteln begriffen, mit Monika Enterprise ein eigenes Label gegründet und immer wieder Musik veröffentl­icht.

Jene auf Moment wirkt lässig zeitlos. Der Synthie erinnert an die hohe Zeit analoger Geräte. Brutzelnde Bässe, knappe Melodien und dazu Guts sonorer Gesang, der sich in einem Stück wie

Musik nachgerade lasziv seinem Sujet verschreib­t. „Musik kann das sein, Musik hol mich zurück, in die Nacht, hol mich da raus ...“

Dazu läuft das Kopfkino: Der Film erzählt eine Geschichte aus einer Zeit, in der Musik lebensverä­ndernd sein konnte. Nicht bloß ein Accessoire, sondern ein Identitäts­ausweis der Eingeweiht­en, kein Deppenmerk­mal, das dem Smartphone entfährt.

Um derlei Wirkung zu entfalten, lässt sich Gut Zeit: Ein Song dauert so lange, wie er braucht. Dazwischen ergeht sie sich in einigen Instrument­als. Die sind nicht alle Gold, mit einigen weniger klänge das Album dichter, doch Gut gönnt sich derlei Kleinode, scheiß drauf.

Außerdem legt sie ja ohnehin nach. Titel wie Lover oder Glieder besitzen wieder jene Autorität, die ihre Synthiesou­nds in den besten Momenten besitzen. Widerwilli­g groovende Songs, die man sich ein wenig erarbeiten muss. Diese Musik fährt ein, ohne sich dafür gefällig zu machen. Nachts wirkt sie am besten, da erweist sie sich als verlässlic­her Begleiter in kalten Häuserschl­uchten. Wo bin ich, wohin soll ich? Verlorenhe­it und Halt tanzen einen Slowfox im Technobunk­er.

 ??  ?? Die Gut hat ein neues Album gemacht. Die legendäre Berliner Musikerin durchmisst darauf die Nacht, ohne ihre Haltung zu vernachläs­sigen. Der Name ist das Zeichen.
Die Gut hat ein neues Album gemacht. Die legendäre Berliner Musikerin durchmisst darauf die Nacht, ohne ihre Haltung zu vernachläs­sigen. Der Name ist das Zeichen.

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