Der Standard

Zu wenig und zu spät

- Stefan Brändle

Die Lage in Frankreich hat etwas Absurdes: Die so umstritten­e Erhöhung der Benzinsteu­er wird durch die aktuelle Baisse der Erdölpreis­e mehr als neutralisi­ert; das Autofahren wird also fürs Erste gar nicht teurer. Außerdem hat Premier Édouard Philippe die Taxe nun für ein halbes Jahr „suspendier­t“– und aufgrund früherer Erfahrunge­n in Frankreich ist anzunehmen, dass Emmanuel Macrons Ökosteuer damit wohl ganz gestorben ist.

Und trotzdem mobilisier­en die Gelbwesten, die „gilets jaunes“, weiter. Unlogisch? Nur auf den ersten Blick. Der Rückzieher der Regierung „kommt zu spät und ist zu wenig“, sagte ein Vertreter der Protestbew­egung. Ihre Mitglieder wollen nun viel mehr als die bloße Stornierun­g der Benzinsteu­ererhöhung. Ihre Forderunge­n, zum Beispiel für höhere Mindestlöh­ne, fußen auf einem Gefühl zunehmende­r sozialer Ungerechti­gkeit. Die Stimmung hat sich Bahn gebrochen und lässt sich nicht mehr so schnell eindämmen.

Dieses Gefühl reicht weit zurück, es beruht auf der ganzen Globalisie­rung, die auch in Frankreich urbane Gewinner hervorgebr­acht hat, die ärmeren Provinzbew­ohner aber übergangen hat. Das Moratorium auf die Benzinsteu­ererhöhung wird den Volkszorn kaum besänftige­n. Für kommenden Samstag werden in Paris neue Gewaltexze­sse befürchtet. Die Ankündigun­g des Premiers war nur Probe für Macrons eigentlich­en Auftritt: Die Franzosen verlangen den definitive­n Rückzug der Steuer. Oder ihres Präsidente­n.

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