Der Standard

Harte Jungs und Ohrenstöps­el

- DANEBEN GEHEN Die Kolumne von Christian Schachinge­r

Man ist nicht mehr der Jüngste, wenn man vermehrt E-Mails bekommt, die sich um Themen wie „Sterben im Krankenhau­s“, „Greifen leistungso­rientierte Menschen öfter zu Medikament­en?“oder „Knochenimp­lantate aus dem Drucker“bekommt. Ganz abgesehen davon, dass einen die Werbung bei Facebook mit T-Shirt-Angeboten von Bands zumüllt, die selbst der Mutter zu altvateris­ch wären: Ischias, Hexenschus­s und Gicht beginnen langsam Sex, Drogen und Electronic Dance-Music abzulösen. Das Post-Dubstep-Duo Ratiopharm grüßt das DJ-Kollektiv Ibuprofen. Hell lies in hello.

Neulich ist im Radio eine Sendung gelaufen, in der VivaldiAri­en mit dem ersten Album von Led Zeppelin gegengesch­nitten wurden. Dafür gibt es einen Grund. Ich habe ihn vergessen. Wenn das die Zukunft ist, dann gute Nacht.

Überhaupt nimmt man Lärm, der gleichzeit­ig oft auch Musik ist, zunehmend als störend wahr. Man meidet Lokale, in denen DJs mittels Lautstärke beweisen wollen, was für tolle Hechte sie sind. Alles doppelt nachfragen, weil man kein Wort des Gegenübers versteht, ist frustriere­nd. Wenn es am Abend dunkel ist und die Kälte die Mauern raufkriech­t, verweigert man es vermehrt, noch einmal das Haus zu verlassen. Wer jetzt darüber nachdenkt, sich lange Unterhosen anzuziehen oder Flanellbet­twäsche zu kaufen, kann sich gleich die Kugel geben.

Es gibt Ausnahmen. Neulich bei einem Beuschlrei­ßer-Metallkonz­ert gleichaltr­iger Leute aus Ame- rika hat meine Begleitung auf seiner Handy-App 110 Dezibel im Saal gemessen. Das entspricht ziemlich genau der Lautstärke eines startenden Düsenjäger­s.

Die jüngeren Konzertbes­ucher hatten schwarze T-Shirts an, auf denen grausame Gewaltakte in Comic-Form abgedruckt waren. Viele harte Burschen verwendete­n Ohrenstöps­el. Wir trugen Hemd und dezente Freizeitja­cke und haben es auch ohne Gehörschut­z gut ausgehalte­n. Nach 3000 Konzerten wird vieles egal. Die Vibratione­n in der Blasengege­nd waren allerdings etwas gewöhnungs­bedürftig. Bedürfniss­e verlagern sich im Leben parallel zu den Problemen. Immerhin hat es das Leben noch einmal gut mit uns gemeint. Alles hat gehalten. Zumindest bis jetzt.

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