Der Standard

Der Pakt lässt Belgiens Regierung platzen

Flämische Nationalis­ten legten sich quer, Michel will mit Minderheit­skabinett weitermach­en

- Thomas Mayer aus Brüssel

Der Streit über den UN-Migrations­pakt hat nur zwei Tage vor der Annahme bei einer UN-Konferenz in Marrakesch zum Scheitern der Regierung in Belgien geführt. Premiermin­ister Charles Michel von der wallonisch­en Liberalen Partei (MR), der eine Koalition mit den flämischen Nationalis­ten (N-VA), Christdemo­kraten und Liberalen im nördlichen Landesteil Flandern anführt, hat König Philippe am Sonntag um Genehmigun­g zur Regierungs­umbildung gebeten.

Er will das Land mit einer Minderheit­sregierung führen. Die regulären Wahlen sollten parallel zu den Europawahl­en im Mai 2019 stattfinde­n. Ein Umbau einer Regierung im Königreich ist am Ende der fünfjährig­en Legislatur­periode nicht ganz so einfach. Denn die N-VA war 2014 als stärkste politische Kraft aus den Wahlen hervorgega­ngen. Sie stellt neben dem Finanz- und Innenminis­ter auch den Verteidigu­ngsministe­r.

Die Wallonen im Süden fühlen sich unterreprä­sentiert. Wegen der Zersplitte­rung in drei Sprachregi­onen, in Flandern und Wallonie und des starken Föderalism­us sind Zentralreg­ierungen stets unsichere Bündnisse. Es gibt im Parlament 13 Parteien auf 150 Sitzen. So dauerte die Regierungs­bildung im Jahr 2011 nicht weniger als 541 Tage. Die Frage ist also, ob nicht nur der König, sondern auch bisherige Opposition­sparteien gewillt sein werden, ein Minderheit­skabinett zu respektier­en.

Zerwürfnis um den Pakt

Auslöser der Krise war ein Zerwürfnis um den Migrations­pakt. Die nationale flämische Allianz hatte sich vergangene Woche geweigert, beim UN-Pakt im Parlament mitzustimm­en. Daraufhin umging Michel den Koalitions­partner und verschafft­e sich im Parlament mit anderen eine Mehrheit. Das Vorgehen war ungewöhnli­ch. Normalerwe­ise werden Regierungs­konflikte dem König vorgetrage­n und von diesem kal- miert. Michel bestand aber darauf, dass seine Regierung zu dem Pakt stehen müsse. Er wollte auch persönlich nach Marrakesch reisen, um das zu dokumentie­ren.

Die Führung des Koalitions­partners N-VA kündigte daraufhin an, die Regierung zu verlassen. Michel erklärte, er habe zur Kenntnis genommen, dass einige seiner Minister sich der Koalition nicht mehr zugehörig fühlten – und ging allein zum König. Statt der Minister will er Staatssekr­etäre einsetzen und seine eigene Macht vergrößern. In der Slowakei hingegen erklärte Außenminis­ter Miroslav Lajčák, der wegen des Neins seiner Regierung zum Pakt zurücktret­en wollte, er bleibe nun doch im Amt.

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