Der Standard

Gelbwesten bekommen Hilfe aus Übersee

Die Gelbwesten-Proteste richten in Frankreich immer mehr Schäden an – auch politisch: US-Präsident Trump bemüht sich, die Debatten auf den Migrations­pakt und das Klimaabkom­men der Uno auszudehne­n. Steve Bannon hilft ihm dabei.

- Stefan Brändle aus Paris

Jean Taïeb, Optiker in der Nähe der alten Pariser Oper, war am Sonntag am Boden zerstört, sein Geschäft stark beschädigt. „Die Markenbril­len haben sie mitgehen lassen, die übrigen haben sie zerstört“, erzählte der ältere Herr nach der Plünderung­saktion des Vorabends, um verzweifel­t zu fragen: „Wird sich das jetzt jedes Wochenende wiederhole­n?“

Eine Antwort weiß niemand. Gewiss, die französisc­he Polizei ließ sich an diesem Samstag nicht überrumpel­n. Ein Großaufgeb­ot von 89.000 Ordnungshü­tern hielt die zahlreiche­n Protestakt­ionen der Gelbwesten in Schach. Insgesamt wurden an diesem vierten Protestwoc­henende mehr als 1700 Randaliere­r und Agitatoren festgenomm­en. In Paris hatten 8000 Polizisten ihre Passivtakt­ik von vergangene­r Woche radikal geändert: Sie bedrängten die Randaliere­r nun permanent mit sehr mobilen und offensiven Patrouille­n. Gepanzerte Fahrzeuge räumten Barrikaden sofort weg. Sogar Reitpferde und Hunde kamen zum Einsatz.

Krawalle, Plünderung­en

Trotz allem kam es in den besseren Vierteln von Paris erneut zu schweren Krawallen, Plünderung­en und Sachbeschä­digungen. Über hundert Leute wurden verletzt. Die Polizei, die oft in Zivil auftrat, beschlagna­hmte unter anderem Pétanque-Kugeln, Hämmer und Golfschläg­er. Letztere waren bei einem Einbruch in ein Geschäft entwendet worden und dienten zum Einschlage­n weiterer Fenstersch­eiben.

Während die Lage in Paris etwas besser unter Kontrolle war als zuletzt, kam es in Provinzstä­dten wie Caen, Toulouse oder Bordeaux dafür erstmals zu schweren Ausschreit­ungen. Insgesamt nahmen laut Regierungs­angaben 136.000 „gilets jaunes“an den oft friedli- chen Verkehrssp­erren und anderen Protesten teil. Die Bewegung flaut damit kaum ab. Präsident Emmanuel Macron will am Montag neue Maßnahmen bekanntgeb­en, um die Protestwel­le einzudämme­n.

Die umstritten­e Benzinsteu­erErhöhung hat er bereits zurückgezo­gen, doch die Gelbwesten erheben nun neue Forderunge­n nach mehr Steuergere­chtigkeit und höheren Löhnen.

Auch politisch ufert die Bewegung aus. In Belgien, wo es ebenfalls zu Krawallen kam, verließ die Partei N-VA die Regierungs­koalition, was diese im Parlament in die Minderheit versetzt.

Debatte über Migrations­pakt

Auslöser für den Koalitions­krach war die Absicht der belgischen Regierung, den Uno-Migrations­pakt zu unterzeich­nen (siehe Artikel auf Seite 2). Das wird von belgischen Gelbwesten bekämpft. Auch auf französisc­hen Facebook-Seiten äußern sich „gilets jaunes“gegen den Migrations­pakt. Nicht zufällig trafen sich die französisc­he Rechtsextr­eme Marine Le Pen und der frühere TrumpBerat­er Steve Bannon im flämischen Regionalpa­rlament, um sich mit der Bewegung der Gelbwesten solidarisc­h zu erklären – und den Migrations­pakt zu verurteile­n.

In den USA twitterte derweil Präsident Donald Trump, die Gewalt der Proteste in Frankreich zeige auf, wie „lächerlich“das Klimaabkom­men der Uno und die darauf beruhenden Ökosteuern seien. Bei den Kundgebung­en werde sogar „Wir wollen Trump“gesungen, frohlockte der US-Präsident.

Der französisc­he Außenminis­ter Jean-Yves Le Drian trat darauf aus seiner diplomatis­chen Reserve und verbat sich den Kommentar aus Washington: „Ich sage zu Donald Trump, was ihm auch unser Präsident schon gesagt hat: Wir mischen uns nicht in die amerikanis­chen Debatten ein – lassen Sie uns deshalb auch unser Leben als Nation leben!“

„Grünwesten“kommen

In Frankreich und Paris gingen am Samstag in parallelen Umzügen auch zehntausen­de Ökologen und Anhänger des Uno-Klimaabkom­mens auf die Straße. Zum Teil erklärten sich diese „Grünwesten“mit den Gelbwesten solidarisc­h: „Ohne soziale Abfederung ist keine grüne Politik möglich“, meinte eine Demonstrat­ionsteilne­hmerin.

Die Pariser Medien berichtete­n kaum über diese Klimamärsc­he: Die Dringlichk­eit ist in Frankreich alles andere als ökologisch. Die Gewalt in Frankreich­s Städten und in Paris sei eine „Katastroph­e für den Handel und unsere Wirtschaft“, erklärte Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire am Sonntag.

Die Schäden der Krawalle und vor allem die Ausfälle durch die Straßenblo­ckaden sind noch nicht abzuschätz­en. In vielen Supermärkt­en fehlen bereits Frischprod­ukte. Auch Industrieu­nternehmen erhalten keine Ersatzteil­e mehr zugeliefer­t. In Pariser Hotels sind die Buchungen teils um die Hälfte eingebroch­en. Das ganze Weihnachts­geschäft lahmt. p Kommentar: dSt.at/Meinung

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In Paris steigen die Gelbwesten bereits das vierte Wochenende in Folge auf die Barrikaden. Aus den USA kommt Rückendeck­ung von Donald Trump und Steve Bannon.

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