Der Standard

Gegner des Klimaschut­zes bilden europaweit­es Netzwerk

Frankreich­s Aufstand zeigt die politische­n Risiken im Kampf gegen Erderwärmu­ng

- Eric Frey

S o groß die Hoffnung vor drei Jahren nach Abschluss des Pariser Klimaabkom­mens war, so tief ist nun die Ernüchteru­ng bei der Klimakonfe­renz in Kattowitz. Nicht nur, dass die Treibhausg­asemission­en ungebremst weitergest­iegen sind, obwohl der Klimawande­l weltweit immer größere Schäden anrichtet. Die US-Regierung unter Donald Trump hat sich vom globalen Klimaschut­z verabschie­det, gefolgt von Brasilien unter seinem neuen Präsidente­n Jair Bolsonaro, weil die Männer an der Spitze die Erderwärmu­ng für ein Märchen halten.

Länder wie China, Indien oder das Gastgeberl­and Polen machen klar, dass ihnen die steigenden Temperatur­en zwar Sorgen bereiten, aber sie deshalb nicht bereit sind, ihre gewaltigen Kohlevorrä­te im Boden zu belassen. Denn Energiever­sorgung und Wirtschaft­swachstum gehen vor. Und selbst ein grün-bewegtes Land wie Österreich verzichtet in seiner Klimastrat­egie auf alles, was Industrie oder Autofahrer­n wehtun könnte. Die nächste Wahl ist wichtiger als die Zukunft des Planeten.

Am meisten aber erschreckt derzeit der Aufstand der Gelbwesten in Frankreich. Dort hat ein Präsident genau das getan, was Experten fordern: Er wollte fossile Treibstoff­e verteuern und so Anreize für Klimaschut­z schaffen. Die Reaktion ist eine aggressive Bewegung, die Emmanuel Macron seine politische Macht kosten könnte und jedem Politiker im Westen signalisie­rt: Lass D die Finger vom Klimaschut­z! as Beispiel Frankreich macht deutlich, dass Klimapolit­ik noch viel komplizier­ter ist als gedacht. Was man bisher wusste: Die Kosten fallen sofort an, der Nutzen aber erst viel später und dann in einem unsicheren Ausmaß. Und jedes Land, das vom globalen Vorhaben ausschert oder schwindelt, schafft sich kurzfristi­ge Vorteile gegenüber denen, die brav ihren Beitrag leisten. Das ist eine Einladung zum Trittbrett­fahren.

In Frankreich aber zeigt sich auch, wie Klimaschut­z Gesellscha­ften spalten kann. Es entsteht eine Front zwischen Stadt und Land, zwischen gebildeten Eliten und den wirtschaft­lich Abgehängte­n, sogar zwischen Frauen und Männern. Bisher standen meist Rechtspopu­listen der Klimapolit­ik im Weg. Doch die Gelbwesten demonstrie­ren, dass Treibstoff­preise, Heizkosten und unser gesamter fossiler Le- bensstil auch viel sozialen Sprengstof­f in sich bergen. Die Bedürfniss­e und Emotionen der Betroffene­n kann man nicht einfach als uninformie­rt und unsolidari­sch abtun.

Wer Klimaschut­z zum Erfolg verhelfen will, muss in vieler Hinsicht umdenken. Der moralisier­ende Ton vieler Umweltschü­tzer ist kontraprod­uktiv: Der Widerstand kommt nicht nur von bösen Industrie- und Energielob­bys, sondern mitten aus der Gesellscha­ft. Die Skepsis gegenüber vielen smarten Plänen ist verständli­ch: Von Ethanol bis zum Emissionsh­andel erwiesen sich schon viele als Irrwege. Wer gegen Diesel, Atomkraft oder die Kohlenstof­fspeicheru­ng im Boden (CCS) wettert, muss stets bedenken, dass der Verzicht darauf den Klimaschut­z weiter verteuert. Und selbst die hochgelobt­en CO -Steuern sind ein Patentreze­pt nur auf dem Papier.

Das heißt nicht, dass es keine Hoffnung gibt. Die Forschung hat in den vergangene­n drei Jahren große Fortschrit­te erzielt. Die Technologi­e für die große Klimawende steht bereit, die Kosten wären bewältigba­r. Doch die politische Umsetzung erfordert eine Entschloss­enheit, Überzeugun­gskraft und Umsicht, die bisher überall fehlen.

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