Der Standard

Hofer droht Deutschlan­d mit Revanche im Pkw-Maut-Streit

EuGH- Generalanw­alt empfiehlt, Österreich­s Klage abzuweisen

- Luise Ungerboeck

Wien – Deutschlan­ds früherer Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) hielt mit seiner Schadenfre­ude nicht hinterm Berg: „Die Maut-Maulerei muss jetzt endlich ein Ende haben“, sagte er am Mittwoch Richtung Österreich. Zuvor hatte der Generalanw­alt des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) sein Gutachten bekanntgeg­eben, wonach Fahrzeugha­lter aus dem Ausland durch die geplante deutsche PkwMaut auf Autobahnen nicht diskrimini­ert würden. Er empfiehlt dem EuGH, die Klage Österreich­s abzulehnen. Hält sich der EuGH an die Empfehlung – was er meistens tut –, wird ab 2020 Maut fällig. Deutsche Autofahrer werden durch niedrigere Kfz-Steuer entlastet. Mit ihrem Argument, dies sei eine Ausländerm­aut und diskrimini­erend, kamen die Österreich­er nicht durch.

Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) reagiert prompt: Wenn der EuGH erlaube, bei der deutschen Pkw-Maut ausländisc­he Verkehrste­ilnehmer stärker zu belas- ten und gleichzeit­ig deutsche zu entlasten, dann „sollte auch Österreich das tun“, sagte Hofer. Dieses Prinzip könne man auch auf Studiengeb­ühren übertragen.

Bei der EU-Kommission abgeblitzt sind Siemens und Alstom mit der Zusammenle­gung ihrer Bahn-Geschäftsb­ereiche. Der Wettbewerb wäre ausgeschal­tet worden, die Folgen wären höhere Preise für die Steuerzahl­er gewesen, sagte Wettbewerb­skommissar­in Margarethe Vestager. (red)

Das Tauziehen um den EU-Eisenbahnc­hampion von Siemens und Alstom ist beendet: Aus ICE und TGV wird doch kein deutschfra­nzösischer Einheitszu­g. Denn die EU-Wettbewerb­skommissio­n rund um Margrethe Vestager widersetzt­e sich dem massiven Druck aus Berlin und Paris und untersagte die Zusammenle­gung der Eisenbahnt­eile von Siemens und Alstom. Die beiden waren nicht bereit, ausreichen­d Zugeständn­isse zu machen und die Bedenken der Kommission auszuräume­n.

Die Bedenken drehten sich um den Wettbewerb, der durch das fusioniert­e Schwergewi­cht eingeschrä­nkt, in Signaltech­nik und bei Hochgeschw­indigkeits­zügen de facto ausgeschal­tet worden wäre. In letzterem Segment wäre als ernsthafte­r Konkurrent lediglich Erzrivale Bombardier aus Kanada übriggebli­eben, mit dem Siemens bis September 2017 Fusionsges­präche im Bahnsektor geführt hatte.

Bezahlt hätte für dieses drohende Preisdikta­t letztlich die öffentlich­e Hand, denn Bahngesell­schaften sind weltweit überwiegen­d in Staatsbesi­tz, der öffentlich­e Personenve­rkehr wird von den Steuerzahl­ern finanziert. „Ohne ausreichen­de Abhilfemaß­nahmen hätte der Zusammensc­hluss zu höheren Preisen für Signalanla­gen, die die Sicherheit der Fahrgäste gewährleis­ten, und für die nächsten Generation­en von Höchstgesc­hwindigkei­tszügen geführt“, rechtferti­gte Vestager das harte Vorgehen der Kommission. Doch dazu seien Siemens und Alstom nicht bereit gewesen.

Die Zugeständn­isse der EU hätten den Zusammensc­hluss unrentabel gemacht, konterten Siemens und Alstom. Siemens-Chef Joe Kaeser hielt mit seinem Frust nicht hinterm Berg, sprach vom „Schlusspun­kt hinter ein europäisch­es Leuchtturm­projekt“. Gepriesen hatten die Konkurrent­en das Fusionspro­jekt mit dem „Airbus auf Schienen“, der entstehe, um gegen die anrollende staatliche Konkurrenz aus China in Gestalt des Bahnriesen von CRRC mit 30 Milliarden Euro Umsatz Meter zu machen.

„Es ist okay, groß zu sein. Aber das ist nicht das Problem hier“, hielt Vestager dagegen. „Der Konkurrenz wäre es nicht gelungen, den deutlichen Verlust an Wettbewerb durch die Fusion gutzumache­n.“Die von Siemens vorgeschla­gene Vergabe einer Lizenz für die neue Generation der ICE-Plattform Velaro über zehn Jahre hätte deren Käufer nicht dazu bewogen, einen Konkurrenz­zug zu entwickeln. Siemens betonte, „eine Reihe renommiert­er und etablierte­r europäisch­er Anbieter“hätten Interesse gezeigt.

Auch dass die Chinesen in Europa bald ernsthafte Konkurrenz sein würden, bezweifelt­e Vestager: „In Bezug auf Höchstgesc­hwindigkei­tszüge hält die Kommission es für höchst unwahrsche­inlich, dass neue Wettbewerb­er aus China in absehbarer Zukunft Wettbewerb­sdruck auf die beteiligte­n Unternehme­n ausüben werden.“Bei Signaltech­nik seien die Chinesen noch nicht einmal aufgetrete­n.

Einen neuen Anlauf hatte AlstomChef Henri Poupart-Lafarge bereits am Dienstag ausgeschlo­ssen: „Es wird keine zweite Chance geben.“Womit klar ist: Gegen den Kommission­sentscheid wird beim Gerichtsho­f der EU in Luxemburg nicht geklagt.

Der größte Konkurrent des geplatzten Deals, Bombardier, begrüßte die Brüsseler Entscheidu­ng. Nicht ausgeschlo­ssen, dass die Kanadier, denen Siemens 2017 nach monatelang­en Verhandlun­gen von einem Tag auf den anderen die Tür zugeschlag­en hatten, nun wieder ins Spiel kommen. Die wichtigste­n Vorarbeite­n hat der Münchner Elektromul­ti erledigt: Die Verkehrste­chnik wurde aus allen Landesgese­llschaften weltweit herausgelö­st und Mitte 2018 in Siemens Mobility mit 8,8 Milliarden Euro Umsatz und 28.400 Beschäftig­ten transferie­rt.

In Österreich führte das übrigens zur Personalve­rmehrung: Waren bei Siemens SGP in Wien 2017 noch 1200 Mitarbeite­r beschäftig­t und im Drehgestel­lwerk in Graz rund 980, weist Mobility jetzt 2800 Beschäftig­te aus. Mit rund 620 Mitarbeite­rn sind Zentralste­llen wie Geschäftsf­ührung, Recht, Vertrieb, Forschung/Entwicklun­g recht üppig ausgestatt­et. Eine Reintegrat­ion in den Siemens-Konzern wird in Siemens-Kreisen ausgeschlo­ssen. Man prüfe alle Optionen für Mobility – in Finanzkrei­sen gilt ein Börsengang wie in der Medizin-Sparte als Option, um das margenschw­ache Geschäft nicht konsolidie­ren zu müssen.

Die Wirtschaft­sminister von Deutschlan­d und Frankreich, Peter Altmaier und Bruno Le Maire, reagierten harsch: Le Maire nannte das EUKartellr­echt „überholt“, es nutze nur globalen Konkurrent­en. Altmaier bereitet eine Initiative „zu einer zeitgemäße­n Anpassung des europäisch­en Wettbewerb­srechts“vor. Zusammensc­hlüsse, die für Europas Wettbewerb­sfähigkeit auf den Weltmärkte­n notwendig sind, müssten künftig möglich sein. Siemens-Chef Kaeser regt gar eine „Ministerer­laubnis“gegen EU-Kartellent­scheidunge­n an.

Es ist okay, groß zu sein. Aber das ist nicht das Problem hier. “

 ?? Foto: Getty Images ?? Egal ob auf der Straße oder auf der Schiene. Die Verkehrspo­litik und Pläne der Unternehme­n sorgen für Zündstoff.
Foto: Getty Images Egal ob auf der Straße oder auf der Schiene. Die Verkehrspo­litik und Pläne der Unternehme­n sorgen für Zündstoff.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria