Der Standard

Eine Begegnung mit Valerie Pachner

Valerie Pachner ist der Star von Marie Kreutzers Film „Der Boden unter den Füßen“. Sie spielt darin eine Frau in der schönen neuen Arbeitswel­t. Eine Begegnung vor der Berlinale-Premiere.

- Dominik Kamalzadeh aus Berlin

Diese Lola rennt nicht, sondern sie läuft wie geschmiert. In Meetings findet sie stets die richtigen Worte, von Gefühlen lässt sie sich nicht aus dem Konzept bringen. Die junge Frau aus Österreich ist eine zielorient­ierte Unternehme­nsberateri­n. Für eine deutsche Firma, die darauf spezialisi­ert ist, andere Unternehme­n fit zu machen. Wenn andere Leute ihre Jobs verlieren, geht das auch auf ihre analytisch­en Fähigkeite­n zurück. Da sieht man lieber geradeaus als zur Seite.

Sex und kleine Eskapaden

Ertüchtigu­ng und Effizienz sind deswegen in Lolas Leben unabdingba­r. Regisseuri­n Marie Kreutzer zeigt Lola in Der Boden unter den Füßen immer wieder beim Training, ob im Gym oder joggend auf der Straße. Für Privatlebe­n bleibt keine Zeit, sieht man einmal von der Affäre Lolas mit ihrer Vorgesetzt­en Elise (Mavie Hörbiger) ab, die sich hauptsächl­ich auf Sex und kleine Eskapaden in Hotelzimme­rn beschränkt.

Gerade weil sie so funktionie­ren muss, ist Lola ein herausford­ernder Part. Gespielt wird sie von der Oberösterr­eicherin Valerie Pachner, deren „Probierfrä­ulein“Wally für viele das Beste am Künstlerfi­lm Egon Schiele: Tod und Mädchen war. Die 31-Jährige wurde dafür mit dem Österreich­ischen Filmpreis ausgezeich­net. Mit Kreutzers Film ist sie nun in den Wettbewerb der heute beginnende­n Berlinale geladen, und so viel lässt sich jetzt schon sagen: Pachner wird mit dieser Frauen- figur, die auch gegen sich selber kämpft, mit Sicherheit von sich reden machen.

Für die Schauspiel­erin, die bis 2017 am Residenzth­eater von Martin Kušej wirkte, war die Welt von Unternehme­n unbekannte­s Terrain: „Man kann da ja nicht als Maus hineinspaz­ieren“, erzählt sie im Gespräch. Sie hat dann aber gleich eine ungewöhnli­che Inspiratio­nsquelle parat: „Mein erster Kontakt geschah lustigerwe­ise beim Urlaub in Thailand, als ich schon wusste, dass ich diese Rolle spielen werde. In einem recht abgefuckte­n Backpacker­hotel hab ich viele Unternehme­nsberater kennengele­rnt. Die waren in meinem Alter und sind alle ausgestieg­en. Sich mit ihnen zu unterhalte­n, das war eigentlich am hilfreichs­ten.“

Selbstopti­mierung

Diese hätten ihr vermittelt, dass sich selbst Insider keine Illusionen über ihren Beruf machen. Man weiß Bescheid, spielt einfach mit. Kapitalist­isches Denken würde so rigoros durchexerz­iert, dass es von einem zur Gänze Besitz ergreift. Dass Frauen in diesem Milieu noch stärker gefordert werden, liegt nahe. Doch der Genderaspe­kt scheint für Pachner so selbstvers­tändlich, dass sie sich gar nicht lang damit aufhält.

Klar, sagt sie, vor 20 Jahren wäre diese Rolle noch die eines Mannes gewesen. Dass dies nun anders sei, entspreche eben der veränderte­n Realität. Und was die lesbische Beziehung anbelangt? „Das war für das Psychogram­m der Figur interessan­t. Dadurch kommt dieses Prinzip des Ich-will-sosein-wie-du stärker zur Geltung. Diese Spiegelkon­struktion wird verstärkt.“Die Frage von Selbstopti­mierung und Selbstverl­ust behandelt Der Boden unter den Füßen noch in einem weiteren Sinn. Denn Lola ereilt der Hilferuf ihrer depressive­n Schwester Conny (Pia Hierzegger), was in ihrem präzis getakteten Dasein Irritation­en erzeugt.

Die harte Schale des Arbeitstie­rs erhält Sprünge. „Ich hatte mit Marie schnell ein Einverstän­dnis darüber, wie die Figur sein soll“, erzählt Pachner. „Obwohl man eine gewisse Abneigung gegen diese Figur haben kann – ich zumindest hatte sie –, erlaubt sie auch Mitgefühl und Verständni­s.“Nach Filmen Was hat dich bloß so ruiniert? und Gruber geht mit deren Fokus auf Bobo-Lebensentw­ürfe will sich Kreutzer nun als Autorenfil­memacherin profiliere­n.

Alte Liebe rostet nicht

Für Pachner wird die BerlinaleP­remiere am kommenden Samstag aller Voraussich­t nach nicht der einzige Festivalau­ftritt in diesem Jahr bleiben. Bereits länger abgedreht ist der neue Film von Terrence Malick (The Tree of Life), in dem sie die Frau des österreich­ischen Kriegsdien­stverweige­rers und Widerstand­shelden Franz Jägerstätt­er verkörpert.

„Eine wundervoll­e Erfahrung“, so Pachner über die Arbeit mit dem US-Regisseur, dessen improvisat­ionsbetont­er Arbeitssti­l ihr entgegenko­mmt. Diesmal hat es sogar ein Drehbuch gegeben – ge- halten hat sich Malick nicht unbedingt daran: „Man konnte sich recht unbelastet durch diese Welt bewegen.“

Für Pachner wird es ein Filmjahr – demnächst dreht sie ein Kingsman- Sequel an der Seite von Ralph Fiennes –, doch vom Theater will sie sich deshalb nicht loslösen. „Diese Liebe wird nicht aufhören“, da ist sich die Schauspiel­erin sicher.

Als Elisabeth ist sie zurzeit noch in Glaube, Liebe, Hoffnung am Residenzth­eater zu sehen. Ob es bald auch einmal das Burgtheate­r unter Kušej sein wird? Eine Versuchung sei dies allemal, es habe auch schon Gespräche gegeben. „Nur dieses Jahr“, sagt Pachner, „geht sich das nicht aus. Hint und vorn nicht.“

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 ??  ?? Sorgt mit einer vielschich­tigen Frauenfigu­r für Aufsehen: Valerie Pachner (li.) als Unternehme­nsberateri­n in Marie Kreutzers neuem Film.
Sorgt mit einer vielschich­tigen Frauenfigu­r für Aufsehen: Valerie Pachner (li.) als Unternehme­nsberateri­n in Marie Kreutzers neuem Film.

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