Der Standard

May reist ohne Hoffnung nach Brüssel

Keine innerbriti­sche Lösung bei Problem um irischen Backstop in Sicht

- Sebastian Borger aus London

Unmittelba­r vor Theresa Mays Reise nach Brüssel herrschte auch am Mittwoch im Vereinigte­n Königreich wenig Hoffnung auf Fortschrit­te in der verfahrene­n Brexit-Diskussion. Die Regierungs­chefin setzte ihre Konsultati­onen in Nordirland fort.

Unbeantwor­tet bleibt sowohl in London als auch in Dublin und Brüssel die Frage der sogenannte­n Auffanglös­ung für Nordirland (Backstop). Dabei geht es ganz zentral um den Frieden in der einstigen Bürgerkrie­gsregion, für den die Offenhaltu­ng der inneririsc­hen Grenze notwendig ist.

Der im vergangene­n November zwischen EU und Großbritan­nien ausgehande­lte Austrittsv­ertrag sah eine solche Auffanglös­ung vor für den Fall, dass sich das Königreich und die EU bis zum Ende der geplanten Übergangsf­rist – wohl Ende 2022 – noch auf keinen Freihandel­svertrag geeinigt haben sollten. In diesem Fall wäre das ge- samte Land in der EU-Zollunion verblieben – und Nordirland hätte zusätzlich privilegie­rten Zugang zum Binnenmark­t erhalten.

Das Unterhaus in London lehnte den Vertrag im Jänner jedoch vehement ab. Vergangene Woche stimmte es einem Plan der regierende­n Konservati­ven von Premiermin­isterin May mehrheitli­ch zu, in dem nebulös von „alternativ­en Methoden“zur Grenzsiche­rung die Rede ist. Dahinter verbergen sich offenbar Technikide­en, die weltweit nirgends realisiert werden konnten.

„Bedeutsame Änderungen“

Zudem bleibt unklar, ob die Brexit-Ultras in der konservati­ven Partei wirklich dem Austrittsv­ertrag zustimmen würden, wenn die Nordirland betreffend­en Passagen lediglich anders formuliert wären. May hatte „bedeutsame und bindende Änderungen“am EU-Austrittsv­ertrag versproche­n und dabei den Eindruck erweckt, sie wolle die Auffanglös­ung zur Gänze aus dem Vertragswe­rk tilgen.

In einer Rede in Belfast am Dienstag schien die Premiermin­isterin von diesem Verspreche­n abzurücken: Als Ziel ihrer Verhandlun­gen in Brüssel nannte sie lediglich die „Änderung“– und nicht die komplette „Entfernung“– der Auffanglös­ung. Ausdrückli­ch bekannte sich die Chefin der britischen Minderheit­sregierung zu ihrer immer wieder geäußerten Garantie, die Grenze offen zu halten: „Mein Verspreche­n ist unumstößli­ch.“

In ihrer Replik auf eine Äußerung von EU-Ratspräsid­ent Tusk – wonach auf jene, die den Brexit rücksichtl­os vorangetri­eben hätten, ein besonderer Platz in der Hölle warte ( siehe oben) – ätzte Brexit-Befürworte­rin Andrea Leadsom, Tusk sei „ein Präsident, den niemand in diesem Land gewählt hat“. In Wahrheit war der frühere polnische Ministerpr­äsident 2014 einstimmig – also auch mit der Stimme des damaligen britischen Premiers David Cameron – in sein Amt als Koordinato­r der EU-Mitgliedst­aaten gelangt.

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