Infos über Abtreibung gibt es nur dosiert
Unter großen Mühen einigte sich die deutsche Regierung darauf, Ärzten mehr Informationen über Abtreibung zu erlauben. Doch in der SPD gärt es, denn „Werbung“für einen Abbruch bleibt verboten und ist weiterhin strafbar.
Katarina Barley (SPD), die deutsche Justizministerin, muss am Mittwoch Worte von sich geben, die ihr nicht ganz leicht fallen. „Wir haben einen guten Kompromiss gefunden“, sagt sie über die Neuregelung des sogenannten Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche.
Das Kabinett hat den Gesetzesentwurf gebilligt, da ist es üblich, dass sich jene Minister, die das Papier vorgelegt haben oder an der Erstellung beteiligt waren, mit (Selbst-)Lob zu Wort melden. Doch Barley weiß: Sie hat im Streit um Informationen über Abtreibungen nicht das herausholen können, was ihre Partei wollte.
Es geht bei diesem Zwist um den umstrittenen Paragrafen 219a des deutschen Strafgesetzbuches. Dieser besagt, dass sich Ärztinnen und Ärzte, die „öffentlich“darauf hinweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, strafbar machen. Ihnen droht eine Geld- oder Haftstrafe.
In Österreich ist das anders. Dort dürfen Ärztinnen und Ärzte sachlich über die eigene medizinische Tätigkeit informieren, Schwangerschaftsabbrüche sind davon nicht ausgenommen.
So hätten es die deutschen Sozialdemokraten, die Grünen, die Linkspartei, die FDP und die hessische Ärztin Kristina Hänel auch gerne. Die Allgemeinmedizinerin war 2018 vom Landgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden, weil sie auf ihrer Website über Abtreibungen informiert hatte. Daraufhin war die Diskussion über den umstrittenen Paragrafen 219a losgebrochen.
Sofort abschaffen, forderten die Sozialdemokraten, man müsse Frauen, die abtreiben wollen, jegliche Hilfe und Information anbieten. Doch die Union hielt mit Verweis auf den Schutz des ungeborenen Lebens dagegen.
Mehr als ein Jahr lang dauerten die Verhandlungen über den Kompromiss, der nun vom Kabinett abgesegnet wurde. Grundsätzlich bleibt die „Werbung“– wie es etwas irreführend heißt – über Abbrüche verboten.
Doch Ärzte, die auf die Möglichkeit hinweisen wollen, bekommen mehr Optionen. Sie dürfen informieren, dass sie den Eingriff vornehmen. Für weitergehende Informationen müssen sie jedoch auf Behörden, Beratungsstellen und Ärztekammern verweisen. Außerdem soll die Bundesärztekammer eine Liste von Ärzten und Spitälern veröffentlichen, die Abbrüche durchführen.
Kein Wort zu den Methoden
Es ist künftig also nicht mehr strafbar, wenn Ärzte erklären: „Frauen haben bei mir die Möglichkeit, eine Abtreibung vornehmen zu lassen.“Nicht preisgeben dürfen sie jedoch, welche Methode sie anwenden. Das wäre „Werbung“, die strafbar bleibt.
Der Kompromiss muss noch durch den Bundestag, und dort sitzen viele frustrierte Sozialdemokratinnen. Die Abgeordnete Hilde Mattheis kündigte an, da- gegen zu stimmen: „Ich habe mich in dieser Frage immer klar positioniert: Politik sollte sich an der Mehrheit ausrichten. Und die Mehrheit sind nun mal Frauen.“Sie fordert eine namentliche Abstimmung im Bundestag.
Maria Noichl, Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, rechnet mit noch mehr Gegenstimmen. Denn die Reform bedeute nach wie vor „eine Gängelung von Frauen, Ärztinnen und Ärzten“.
Ärztin Kristina Hänel kritisiert die Einigung ebenfalls. Zwar sieht sie die Lockerung des Werbeverbots als kleinen Fortschritt. Doch sie sagt auch: „Frauen haben ein Recht auf Information, und das ist weiterhin verboten. Das ist eine staatliche Zensur.“
Man kann die Neufassung des Paragrafen 219a im deutschen Strafgesetzbuch natürlich so sehen, wie die nun Zufriedenen es tun: Frauen kommen nun leichter an Informationen über Abtreibungen. Das Glas also ist halbvoll, der Kompromiss ein guter.
Doch dem entgegen stehen die weniger Erfreuten, die eine andere Sichtweise haben: Auch nach der Reform werden Ärzte, die über Abtreibungen sachlich informieren wollen, kriminalisiert. Und Frauen, die Hilfe benötigen, müssen sich im Internet von Stelle zu Stelle klicken.
Natürlich schaffen sie das. Es geht hier nicht um die Zumutung, ein paar Seiten mehr aufzurufen. Es geht um den Geist dieser Gesetzesreform, und der ist kein guter.
Immer noch wird so getan, als würde offene Information über Abtreibungen den Eingriff zu einer ärztlichen Leistung unter vielen machen, nach dem Motto: Wer leicht an Infos über Schwangerschaftsabbrüche kommt, der entscheidet sich auch sorglos für die Inanspruchnahme oder wird dadurch erst auf die Idee gebracht.
Das ist Unsinn. Die allermeisten Frauen treffen diese schwierige Entscheidung nach gründlichem Nachdenken und Abwägen. Wer abtreiben lassen will, der tut es auch; mehr oder weniger „versteckte“Infos hindern niemanden.
Man müsste Frauen, die in einer solchen Notlage sind, eigentlich jegliche Unterstützung anbieten und die Hürden über sachliche Informationen so niedrig wie möglich halten. Das tut das neue Gesetz nicht. Das Glas ist halbleer.