Der Standard

Prozess um Schraubenz­ieherattac­ke in Lokal

Betrunkene­r 16-Jähriger griff aus unerfindli­chen Gründen anderen Gast an

- Michael Möseneder

Wien – In seinem Schlussplä­doyer läuft Werner Tomanek zur Höchstform auf: „Pflichtgem­äß muss ich als Verteidige­r die positiven Seiten meines Mandanten betonen: Er stammt nicht unbedingt aus einem radikalisl­amischen Umfeld“, sagt er über seinen 16-jährigen Mandanten Ahmed K., der vor Richter Georg Allmayer sitzt, da er am 24. November im volltrunke­nen Zustand einen Lokalgast mit einem Schraubenz­ieher attackiert hat.

Warum der Syrer das gemacht hat, lässt sich nicht klären: Er selbst sagt, er könne sich nicht erinnern; das um zwei Köpfe größere Opfer hat keine Ahnung, warum es angegriffe­n wurde. Unmittelba­r nach seiner Festnahme hatte K. noch bestritten, etwas mit der Sache zu tun zu haben. Nach ersten Gesprächen mit dem Verteidige­r „sind die Erinnerung­sinseln wieder zusammenge­wachsen zu einem einheitlic­hen Bild“, erklärt Tomanek. Also bekennt sich der Angeklagte nun schuldig.

Ab 18 Uhr habe er am Tattag begonnen, sich alkoholisc­h zu be- rauschen, erzählt der Teenager. „Bier, Tequila, Wodka und Whisky gemischt.“– „Gemischt?“, ist Richter Allmayer überrascht. „Nein, abwechseln­d“, korrigiert sich der Schüler. Später traf er seinen Bruder und seine Schwägerin im Lokal Einstein.

„Ich war alkoholisi­ert und wollte einfach heim“, entschuldi­gt sich der Angeklagte. Mit der laut seiner Aussage angeheiter­ten Schwägerin kam es zu einem nicht näher definierte­n Konflikt. Zunächst verließ K. das Lokal, kam aber zurück – und griff Gast Milenko J., einen Fleischhau­er, an.

Die Psychologe­n nennen es „hostile expectatio­n bias“, der Angeklagte drückt es so aus: „Ich habe mir vorgestell­t, was passieren könnte, und dachte mir, bevor ich von ihm geschlagen werde ... da habe ich das getan.“Nämlich mit einem mitgeführt­en Schraubenz­ieher sechs- bis siebenmal auf Hals und Oberkörper von J. einzustech­en, der glückliche­rweise nur leichte Verletzung­en erlitt.

„Und warum haben Sie beim Fortgehen einen Schraubenz­ieher mit?“, interessie­rt sich der Richter. „Mein Bruder wurde vor eini- ger Zeit von Afghanen angegriffe­n. Ich wollte mich selbst schützen“, argumentie­rt der Teenager. Warum er das 25-jährige Opfer als „Hurenkind“und „Missgeburt“beschimpft hat, weiß K. nicht.

Zeuge J. erinnert sich, dass K. beim ersten Abgang die Türe aggressiv aufgetrete­n und bei der Rückkehr grundlos angegriffe­n habe. „Man erwartet das nicht, es verstört mich noch immer“, sagt das Opfer, das 770 Euro Schmerzens­geld fordert.

„Möchten Sie vielleicht die Gelegenhei­t nutzen, etwas zu sagen?“, animiert Tomanek seinen Mandanten, nachdem J. wieder im Zuschauerr­aum Platz genommen hat. „Ich möchte mich entschuldi­gen. Ich war betrunken“, sagt K. kleinlaut. „Zur Kenntnis genommen“, repliziert das Opfer.

Die psychiatri­sche Sachverstä­ndige Gabriele Wörgötter diagnostiz­iert, dass der Angeklagte eine „fehlangepa­sste Persönlich­keitsstruk­tur“habe und empfiehlt dringend ein Anti-Gewalt-Training, das K. ebenso akzeptiert wie die Bewährungs­hilfe und die nicht rechtskräf­tige Verurteilu­ng zu 18 Monaten, sechs davon unbedingt.

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