Der Standard

Schultersc­hluss gegen Amazon

Händler und Gewerkscha­fter legen ein Forderungs­paket zur Regulierun­g des Onlineries­en Amazon vor. Experten sehen es zwiespälti­g.

- Verena Kainrath

An Amazon führt im Onlinehand­el kein Weg vorbei. Der Internetri­ese kontrollie­rt jeden zweiten in Österreich im Web ausgegeben­en Euro. Gut neun von zehn Österreich­ern haben ihm ihre persönlich­en Daten durch Einkäufe offengeleg­t. Auch steuerlich steht Amazon auf der Sonnenseit­e. Geschickte Konstrukti­onen erlauben es dem Konzern, dem Sog des Fiskus weitläufig zu entgehen.

Die EU kommt in ihrem Kampf gegen Steuerfluc­ht auf wenige gemeinsame Nenner. Viele europäisch­e Länder versuchen daher im Alleingang, den digitalen Platzhirsc­h einzubrems­en. Auch Österreich trachtet nach Instrument­en, um ihn in ein engeres gesetzlich­es Korsett zu zwingen. Händler und Gewerkscha­fter üben dafür nun erstmals den Schultersc­hluss.

Ob Österreich­s Wettbewerb­sbehörde wegen Verdachts auf Marktmissb­rauch ermittelt, entscheide­t sich bis Mitte Februar. Der Handelsver­band brachte im Dezember Beschwerde gegen Amazon ein.

Unfairer Wettbewerb dürfe keine Jobs gefährden und die Steuerzahl­er nicht über Gebühr belas- ten, sagt Barbara Teiber, Bundesvors­itzende der GPA-djp. Es sei offenbar Amazons Geschäftsm­odell, mit Steuervort­eilen zu operieren. Die einen zahlen, die anderen machen das Geschäft, ärgert sich Rainer Will. Der Chef des Handelsver­bands sieht zwar den Willen der Politik, regulieren­d in den Markt einzugreif­en. Es fehle aber am nötigen Tempo. Teiber und Will fordern über die Fronten der Sozialpart­ner hinweg von der Regierung ein Paket an Maßnahmen ein.

Priorität hat für Teiber eine Digitalste­uer, die tiefer greift als die bisher geplante. Die Ausweitung der Werbeabgab­en auf Onlinewerb­ung könne nur ein erster Schritt sein. Es gehörten auch die Umsätze von Plattforme­n besteuert.

Will hebt ein Infrastruk­turgesetz hervor. Dieses soll Händlern diskrimini­erungsfrei­en Zugang zum Marktplatz von Amazon gewähren und dem seiner Erfahrung nach oft willkürlic­hen Ausschluss von Partnern Einhalt gebieten, wie

berichtete. Manche Auslage würde da über Nacht ohne nähere Angabe von Gründen zubetonier­t, zieht Will den Vergleich mit stationäre­n Geschäften.

Gewerkscha­ft wie Handelsver­band pochen auf die Einführung einer digitalen Betriebsst­ätte. Onlinekonz­erne wie Amazon sind in Österreich kaum physisch präsent und unterliege­n daher auch keiner Gewinnbest­euerung. Sie liefern im EU-Schnitt neun Prozent an die Finanz ab, während herkömmlic­he Unternehme­n 23 Prozent an Steuern entrichten.

Amazon soll haften

Überdies sollen die Plattforme­n durch Haftungen in die Pflicht genommen werden. Führen Händler die Umsatzsteu­er nicht korrekt ab, könnte dadurch Amazon zur Rechenscha­ft gezogen werden. Will weist auf die Deutschen und Briten hin, die hier mittlerwei­le vorprescht­en. Derzeit gingen der EU 14 Prozent der Einnahmen aus der Mehrwertst­euer verloren, sagt Teiber. In Österreich liege der geschätzte Steuerentg­ang bei jährlich rund 600 Millionen Euro.

Dass der stationäre Handel, der sich gern das Rückgrat der Wirtschaft nennt, angesichts der wachsenden Dominanz Amazons über Rückenschm­erzen klagt, berührt viele Konsumente­n freilich kaum. Zu schwer wiegt der Vorteil niedriger Preise und guten Services.

Warum fairer Wettbewerb dennoch in ihrem Interesse sein sollte? „Noch jedes Monopol hat dazu geführt, dass die Preise steigen“, ist Will überzeugt. Konsumente­n gehörten für eine gerechtere Steuerprax­is sensibilis­iert, sagt Teiber. Sie erinnert zudem an das Lohndumpin­g, das Amazon immer wieder in die Schusslini­e der Arbeitnehm­er- vertreter bringe. Der Konzern unterdrück­e gewerkscha­ftliche Organisati­onen systematis­ch. „Es ist ein Schritt zurück ins Mittelalte­r.“

Michael Böheim, Wettbewerb­sexperte des Wifo, hält die vorgeschla­genen neuen Spielregel­n für Amazon für gut. Ob diese viel nutzen, um den Konzern in den Griff zu bekommen, bezweifelt er aber. Denn sie linderten nur die Symptome und beseitigte­n das Grundübel nicht, das in Konstrukte­n zur Steuerverm­eidung liege. „Offenbar hat man hier, was systemisch­e Lösungen betrifft, resigniert.“Böheim glaubt nicht, dass Amazon eine Digitalste­uer schmerzen würde, da sie am Ende auf andere übergewälz­t werde. Die digitale Betriebsst­ätte sei sinnvoll, fraglich sei jedoch, wie sich bei Plattforme­n wie Google der Umsatz messen ließe.

Zwiespälti­g sieht er die Umsatzsteu­er für Pakete aus Drittstaat­en, die ab 2020 ab einem Warenwert von einem Cent anfällt: „Das birgt hohen Verwaltung­saufwand.“Zur Diskussion stellt er auch, ob es klug sei, Amazon im Rahmen einer Haftung als Hilfspoliz­ei der Finanzverw­altung einzusetze­n.

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Foto: Reuters Amazon eckt an. Instrument­e, um den Konzern in ein gesetzlich­es Korsett zu zwingen, fehlen bisher.

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