Der Standard

Iran-Tauschbörs­e hätte in Wien sein können

Die türkis-blaue Regierung hat auf eine einmalige Chance verzichtet

- Stefan Brocza

Ende Jänner war es so weit: Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien haben eine Finanzgese­llschaft gegründet, um die im Frühjahr wiedereing­eführten US-Sanktionen gegen den Iran zu umgehen. Deren exterritor­iale Wirkung verhindert, dass europäisch­e Unternehme­n im Iran geschäftli­ch tätig werden können. Die Gefahr, von den USA dafür massiv bestraft zu werden, ist derzeit einfach zu hoch. Trotz der Aussicht auf das große Geschäft mit dem Iran.

Größtes Problem im Handel mit dem Iran sind derzeit die Banken, die aus Furcht vor harten USSanktion­en davor zurücksche­uen, Geschäfte abzuwickel­n. Kritiker werfen ihnen wie auch vielen anderen Unternehme­n vor, die US-Forderunge­n sogar überzuerfü­llen. Hier soll nun das neue Zahlungssy­stem Instex quasi in die Bresche springen und als eine Art Tauschbörs­e fungieren: Der Iran bekommt kein Geld für seine Exporte, sondern einfach Waren. So kann er weiter Öl und anderes nach Europa liefern.

Wien war als Instex-Standort im Gespräch. Die Bundesregi­erung nahm sich aber vorzeitig aus dem Spiel. Fragt man nach den Gründen, verlautet aus dem Büro von Regierungs­sprecher Peter Launsky-Tieffentha­l, dass die Ansiedlung ressort- und institutio­nenübergre­ifend geprüft wurde. „Die Prüfung ergab, dass noch viele Fragen offen sind, zu denen es derzeit keine abschließe­nden Antworten gibt.“Zeitgleich mit dieser kryptische­n Aussage wurde Instex ins französisc­he Handelsreg­ister eingetrage­n, Sitz ist Paris. Und Ministerin Karin Kneissl betonte wie wichtig Instex vor allem für Klein- und Mittelbetr­iebe sei.

Verschreck­ter Brückenbau­er

Man fragt sich, was die türkisblau­e Regierung nun tatsächlic­h dazu bewogen hat, auf diese einmalige Chance zu verzichten. Wien liegt als Uno-Standort und auch Sitz der Opec eigentlich auf der Hand. Bei den damaligen Verhandlun­gen zum Atomdeal mit dem Iran hat sich der seinerzeit­ige Außenminis­ter Sebastian Kurz noch überschlag­en vor Begeisteru­ng, er unterstütz­te die Gespräche im Palais Coburg massiv. Nach Abschluss der Verhandlun­gen war es wiederum Kurz, der sich prominent als Türöffner zum Iran in der Delegation von Bundespräs­ident Heinz Fischer beim Staatsbesu­ch in Teheran positionie­rte. Warum eine Regierung, die andauernd ihre Brückenbau­erfunktion hervorhebt, hier zurückschr­eckt, sollte hinterfrag­t werden. Beim Thema Sanktionen hinterfrag­en Kurz und Co ja auch regelmäßig ihre Sinnhaftig­keit, also zumindest im Falle Russlands.

Beim Iran scheint das nun alles vollkommen anders. Wollte man die Beziehunge­n zu Israel – gerade im Vorfeld des aktuellen Staatsbesu­chs – nicht belasten? Oder war es einfach die Vorleistun­g dafür, dass der Bundeskanz­ler endlich seine langersehn­te Einladung ins Weiße Haus bekommt?

STEFAN BROCZA ist Experte für Europarech­t und internatio­nale Beziehunge­n.

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