Bluttat in Dornbirn heizt Debatte über Asylrecht an
Kickl fordert härteres Vorgehen gegen straffällige Flüchtlinge
Bregenz/Wien – Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nimmt die Bluttat von Dornbirn zum Anlass, um „Unzulänglichkeiten im bestehenden internationalen Asylsystem“anzuprangern.
Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen türkischen Staatsbürger, der seit längerem mit einem Aufenthaltsverbot im Schengenraum belegt war. Der 34-Jährige befand sich dennoch rechtmäßig in Österreich, weil er Anfang des Jahres einen Asylantrag gestellt hatte. Mittwochabend hat der mehrfach vorbestrafte Mann den Sozialamtsleiter der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn erstochen.
Es dürfte sich um einen Streit über die Grundversorgung für Asylwerber gehandelt haben. Außerdem hatte der Beamte vor Jahren das Aufenthaltsverbot über den in Österreich geborenen Türken verhängt. Das Opfer hinterlässt seine Lebensgefährtin und zwei Söhne.
Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (VP) for- dert von Innenminister Kickl eine genaue Prüfung der rechtlichen Hintergründe. Wallner fragt, warum gegen den mutmaßlichen Täter kein Asylschnellverfahren eingeleitet worden war beziehungsweise warum er überhaupt auf freiem Fuß war.
Kickl wirbt auf EU-Ebene dafür, dass Flüchtlinge künftig schon bei leichteren Delikten abgeschoben werden können. Die EU-Kommission lehnt das mit Verweis auf die Menschenrechte ab. (red)
Mittwochnachmittag in der BH Dornbirn. Ein junger Mann geht in die Sozialabteilung, fordert vehement Geld aus der Grundversorgung ein. Zum dritten Mal ist er bereits da, glaubt als Asylwerber, Recht auf das Geld zu haben. Es kommt zu einer lautstarken Auseinandersetzung mit dem Abteilungsleiter. Der Mann wird hinauskomplimentiert. Wenig später kommt er zurück. Dieses Mal laut Polizei mit einem langen Küchenmesser.
Die Waffe bleibt unbemerkt, es gibt keine Zugangskontrollen. Erneut kommt es zu einer lautstarken Auseinandersetzung. Für den BH-Beamten endet diese tödlich.
Bereits 2009 ausgewiesen
Das tragische Geschehen ist mehr als ein Kriminalfall. Er wirft Fragen über Asylgesetz, Fremdenrecht und Vollzug auf. Denn bei dem mutmaßlichen Täter, über den nun wegen Mordverdachts Untersuchungshaft verhängt wurde, handelt es sich um einen türkischen Staatsbürger, der bereits 2009 wegen zahlreicher strafrechtlicher Delikte ausgewiesen wurde. Das Aufenthaltsverbot für den gesamten Schengenraum war unbefristet. Denn der heute 34Jährige stellte eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Er geriet bereits als Jugendlicher mit dem Gesetz in Konflikt, wurde wegen Eigentums- und Gewaltdelikten, wegen unerlaubten Waffen- und Drogenbesitzes verurteilt und verbüßte in Vorarlberg Haftstrafen.
Anfang des Jahres reiste der Mann, der in Lustenau (Bezirk Dornbirn) aufgewachsen ist, trotz Einreiseverbots wieder nach Österreich und suchte in der Erstaufnahmestelle Thalham um Asyl an. Als Asylgrund gab er an, in der Türkei um sein Leben fürchten zu müssen, weil er als Kurde türkische Soldaten umgebracht habe.
Weil der Mann Verwandte in Vorarlberg hat, wurden die Vorarlberger Behörden ersucht, ihn dort in einem Grundversorgungsquartier unterzubringen. Die Vorarlberger lehnten unter Hinweis auf die kriminelle Vergangenheit und Aufenthaltsverbot ab. Er kam dennoch zurück nach Lustenau. Weil er um Asyl ansuchte, konnte er nicht erneut abgeschoben werden, argumentiert das Innenministerium. „Das ist geltendes Asylrecht, das ist EMRK“, sagt Ministeriumssprecher Christoph Pölzl – also die europäische Menschenrechtskonvention.
Landeshauptmann Markus Wallner (VP) reagierte am Donnerstag mit „Ärger und Unverständnis“. Keiner verstehe das, auch er nicht, warum kein Schnellverfahren eingeleitet wurde und warum der Mann auf freiem Fuß war. „In solchen Fällen muss es eine Möglichkeit geben, Menschen während der Dauer des Verfahrens festzuhalten.“Er habe Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in einem Telefonat um eine genaue Prüfung des Falls gebeten.
Asylrecht geht vor
Am Donnerstagnachmittag antwortete das Innenministerium mit einer „rechtlichen Klarstellung“: Schubhaft sei nicht argumentierbar gewesen, da der Asylwerber aufrecht gemeldet war und bei einer Familie privat gewohnt habe. Ein Asylantragsteller habe aufgrund europarechtlicher Vor- gaben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht und einen faktischen Abschiebeschutz.
Zudem gebe es das unbefristete Aufenthaltsverbot nicht mehr. Laut Europäischem Gerichtshof sind Aufenthaltsverbote mittlerweile zeitlich befristet. Auch bei negativem Ausgang des Asylverfahrenes hätte man den Mann nicht abschieben können, vermutet das Ministerium. Er habe angegeben, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe zu sein, eine Abschiebung sei nicht mit Artikel 3 der EMRK vereinbar. Das gelte auch, wenn Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen.
Der kurdische Hintergrund ist der Vorarlberger Polizei, die den Mann ja gut kennt, neu, sagt Ermittler Norbert Schwendinger. Die Polizei ermittelt wegen Mordverdachts. Es wird auch untersucht, ob die Tat von langer Hand geplant war. Denn beim Opfer handelt es sich um jenen Beamten, der 2009, damals noch bei der Fremdenpolizei tätig, für Aufenthaltsverbot und Abschiebung verantwortlich zeichnete.