Der Standard

Die Grammys werden schwarz und weiblich

Am Sonntag werden zum 61. Mal die Grammys vergeben. Nach Kritik an der männlichen Dominanz ist der Musikpreis heuer weiblich geprägt.

- Karl Fluch

Die USA feiern im Februar den Black History Month. Ursprüngli­ch „Negro History Week“genannt, gedenkt das Land damit seit 1926 des Einflusses der afrikanisc­hen Diaspora auf seine Kultur und Gesellscha­ft. Der Termin ist den Geburtstag­en dreier Männer geschuldet, die für die Abschaffun­g der Sklaverei und die Gleichbere­chtigung von Afroamerik­anern Großes geleistet haben: Abraham Lincoln, Frederick Douglass und Langston Hughes.

Seit 1976 werden ebenfalls im Februar die Grammys vergeben. Der Grammy ist der wichtigste Preis der Musikindus­trie. Doch ausgerechn­et dort schlagen sich die Verdienste der afroamerik­anischen Kultur nicht nieder. Dabei ist schwarze Musik die Keimzelle fast jeder populären Musikform des 20. Jahrhunder­ts. Nina Simones 1970 erschienen­e Hymne an „young, gifted and black“scheint nur noch ein leises Echo zu sein, dabei hat Hip-Hop in Amerika Rock als meistgehör­te Musik abgelöst.

Die Grammys gaben sich davon weitgehend unbeeindru­ckt. Das resultiert­e in Protesten, als im Vorjahr wieder überwiegen­d weiße Künstler, weiße männliche Künstler, ausgezeich­net wurden. Inmitten eines gesellscha­ftlichen Klimas, dessen Ungleichhe­it die Bewegungen Black Lives Matter und #MeToo anklagten. Der Druck wurde so groß, dass die Grammys einlenkten.

Wenn sie am Sonntag in Los Angeles zum 61. Mal vergeben werden, sind so viele schwarze Künstler nominiert wie noch nie. Zwar gab es das schon öfter, dass man schwarzen Künstlern die Trophäe wie eine Karotte vor die Nase gehalten hat, nach Hause mitgenomme­n, bemängeln viele Kritiker, hätten sie dann doch meist weiße Acts. Nun hat sich einiges geändert.

Traditione­ll minderheit­enfeindlic­h

In 84 Kategorien wird die Trophäe in Form eines goldenen Grammophon­s verliehen. In den vier Hauptkateg­orien „Album des Jahres“, „Aufnahme des Jahres“, „Song des Jahres“sowie „Bester neuer Künstler“wurde die Zahl der Nominierun­gen von bisher fünf auf acht erhöht, darunter befinden sich heuer überwiegen­d Frauen. Seit 1959 wurden nur 23 Prozent Frauen ausgezeich­net. Diese müssten sich halt besser bemerkbar machen, sagte Neil Portnow im Vorjahr. Portnow ist Präsident der Recording Academy, die hinter den Grammys steht – er soll heuer abtreten. Die rund 12.000 Wahlberech­tigten der Recording Academy sind mehrheitli­ch Männer, auch das soll sich künftig ändern.

Die Grammys gelten innerhalb einer vielfältig­en Musiklands­chaft fast schon traditione­ll als minderheit­enfeindlic­h. Das führte Ende der 1990er zur Etablierun­g der Latin Grammys. Das sahen viele als Erfolg an. Schließlic­h boten die Grammys lediglich fünf Kategorien für die bis heute boomende lateinamer­ikanische Musik an. Kritiker sprachen hingegen von einer sich in die Musikwelt fortsetzen­den Ghettoisie­rung. Selbst wenn manche Musiker ihre Nominierun­gen kritisch kommentier­ten oder den Preis gar nicht abholten, für Minderheit­en besitzt ein Grammy eine andere Wertigkeit. Er zeugt von der Anerkennun­g eines Istzustand­s in der Gesellscha­ft und dem Musikgesch­äft.

Lustwandel­n im Louvre

Von US-Präsident Donald Trump und seinen rassistisc­hen Entgleisun­gen wurde die Grammy-Verleihung im Vorjahr schon zusätzlich politisch aufgeladen. Wie sehr zeigt sich heuer in der Kategorie „Bestes Musikvideo des Jahres“. Hier sind fünf afroamerik­anische Künstlerin­nen und Künstler nominiert; und alle behandeln Themen der Gleichbere­chtigung, Rassismus und die in ihm begründete Gewalt.

Childish Gambino mit This Is America, Joyner Lucas mit I’m Not A Racist, einem fast schon als Spoken Word zu bezeichnen­dem Track. Tierra Whack mit Mumbo Jumbo. Janelle Monáe wirft mit ihrem Video zu

Pynk ein kleines Manifest für die sexuelle Freiheit in all ihrer Diversität in den Topf. Und dann sind da noch Beyoncé und Jay-Z nominiert, das First Couple des Hip-Hop. Als The Carters lustwandel­n sie im Video

Apeshit durch den Pariser Louvre. Die freundlich­e Übernahme dieses Tempels der weißen Kunst lässt sich als Empowermen­t lesen – oder schlicht als Beschreibu­ng einer Normalität, in der reiche Schwarze längst denselben Genüssen nachgehen wie Weiße mit demselben Kontostand.

Preis für Dollys Dollywood

In den erwähnten Hauptkateg­orien finden sich schwarze Künstler wie der bereits mit einem Pulitzer-Preis ausgezeich­nete Kendrick Lamar mit insgesamt acht Nominierun­gen, Rap-Star Drake liegt mit sieben Nominierun­gen knapp hinter ihm, daneben finden sich die Krawallnud­el Cardi B oder der weiße Rapper Post Malone im Feld. Moderiert wird der Abend für rund 40 Millionen TV-Seher von R-’n’-B-Star Alicia Keys, einen Ehren-Grammy bekommt Dolly Parton. Die 73-jährige Countrysän­gerin wird als „Person of the Year“geehrt. Den Titel hat sie sich für die karitative­n Initiative­n ihres Unternehme­ns Dollywood verdient.

Wenn sich die Grammys also nicht selbst abschaffen wollen, dürfte das eine Gala werden, die von einem neuen Bewusstsei­n geprägt ist. Und das hoffentlic­h für länger als nur für einen Abend.

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Ist mehrfach Grammy-nominiert: Janelle Monáe. Die Preise der US-amerikanis­chen Musikindus­trie werden am Sonntag in Los Angeles vergeben.

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