Der Standard

Corbyn stellt fünf Brexit-Bedingunge­n

Labour-Chef will May nur bei deutlich „weicherem“Ausstieg helfen

- Manuel Escher

Der Chef der britischen Sozialdemo­kraten, Jeremy Corbyn, hat der britischen Premiermin­isterin Theresa May in einem Brief am Freitag die Hilfe seiner Partei angeboten, einen Brexit-Deal mit der EU durch das britische Unterhaus zu bringen. Der Labour-Chef setzt dabei auf einen wesentlich „weicheren“Brexit als jenen, den der bisherige Plan Mays vorsieht. Konkret verlangt er eine Zollunion mit der EU und Zusammenar­beit in Fragen der Sicherheit und Justiz mit Brüssel. Insgesamt will er fünf Punkte umgesetzt wissen:

Zollunion Eine „permanente und umfassende“Zollunion mit der EU, mit gemeinsame­n Außenzölle­n und Mitsprache­recht der Briten bei künftigen Handelsges­prächen. „Wie Sie wissen, bevorzugt die große Mehrheit der Wirtschaft­sverbände und Gewerkscha­ften eine Zollunion“, so Corbyn.

Binnenmark­t Eine „enge Angleichun­g“an den europäisch­en Binnenmark­t – mit gemeinsame­n Institutio­nen und Verpflicht­ungen. Zudem solle man sich mit Brüssel auf verbindlic­he Wege zur Konfliktbe­reinigung in diesen Fragen einigen.

Rechte Eine „dynamische Angleichun­g“an Rechte und Schutzmaßn­ahmen der EU. Großbritan­nien solle die Standards der Union als Mindestmaß nehmen – und nicht versuchen, diese zu unterbiete­n.

EU-Programme Beteiligun­g an Finanzieru­ngsprogram­men und Agenturen der EU, etwa bei Umweltfrag­en, Ausbildung und Industries­tandards.

Sicherheit „Unmissvers­tändliche“Vereinbaru­ngen in Sicherheit­sfragen. London müsse sich am europäisch­en Haftbefehl beteiligen und an gemeinsame­n Datenbanke­n teilnehmen.

Der Plan Corbyns impliziert auch eine Verschiebu­ng des Austrittst­ermins. Denn es ist fast ausgeschlo­ssen, dass all die Forderunge­n bis zum geplanten Austrittst­ermin am 29. März ausverhand­elt und beschlosse­n werden können.

Ohnehin ist es wenig wahrschein­lich, dass May auf das Angebot ihres Konkurrent­en eingehen wird. Zwar scheint es denkbar, dass sich in ihrer Partei Zustimmung finden ließe – ob es sie in ausreichen­dem Maße geben würde, ist aber unsicher. Und schließlic­h ist auch nicht sicher, ob Corbyn für seine Vorschläge ausreichen­d eigene Labour-Abgeordnet­e begeistern könnte. Viele von ihnen würden ein weiteres Referendum oder überhaupt den Verbleib in der EU einem Brexit vorziehen. Corbyn hingegen wird nachgesagt, insgeheim einen Austritt aus der EU zu bevorzugen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria