Der Standard

Blitzstart für Warschauer „Frühling“

Neue polnische Linksparte­i Wiosna kommt in Umfragen auf Platz drei

- Gabriele Lesser aus Warschau

Robert Biedroń ist ein Politiker, der mit seinem jungenhaft­en Lachen und seinen mitreißend­en Reden problemlos tausende Menschen in seinen Bann ziehen kann. „Wiosna“(Frühling) heißt die Partei, die er vergangene­s Wochenende in Polens Hauptstadt Warschau aus der Taufe hob. Ein Meer von blauen EU- und weiß-roten Polen-Fahnen wogte über den Köpfen, dazwischen hier und da auch die Regenbogen­fahne der Schwulen- und Lesbenbewe­gung. „Wir wollen keinen polnisch-polnischen Krieg“, ruft er aus dem Kegel des Scheinwerf­erlichts. „Wir wollen Dialog und gegenseiti­gen Respekt. Es war lange genug Winter in Polen. Es ist Zeit für den Frühling!“

Der aus dem Karpatenvo­rland stammende Politologe und LGBTAktivi­st hatte sich 2002 zunächst der Links-Allianz (SLD) angeschlos­sen, wechselte 2010 zur antiklerik­alen Palikot-Bewegung und kam 2011 als erster offen homosexuel­ler Abgeordnet­er ins polnische Parlament. 2014 wurde er Bürgermeis­ter der 92.000-Einwohner-Stadt Słupsk nahe der Ostsee, fortan war er einer der bekanntest­en Lokalpolit­iker Polens.

Doch nun zieht es ihn zurück nach Warschau. „Ich will polnischer Premier werden“, verkündet Biedroń seit kurzem in Talkshows – und fordert dabei unter anderem ein höheres Mindestein­kommen, die strikte Trennung von Staat und Kirche und ein Abtreibung­srecht bis zur zwölften Schwangers­chaftswoch­e.

Als neue Partei, die direkt in den Wahlkampf zu den EU-Wahlen im Mai startet, hat der Frühling gute Chancen, einige Kandidaten ins Europäisch­e Parlament zu bringen. Doch auch in der nationalen Politik sind seine Aussichten nicht schlecht. Umfragen schreiben der Partei inzwischen bis zu 14 Prozent der Stimmen zu, sollten am nächsten Sonntag Parlaments­wahlen sein. Damit wäre der Frühling drittstärk­ste Kraft – nach der regierende­n nationalko­nservative­n Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) mit 29 Prozent und der liberal-konservati­ven Bürgerkoal­ition (KO) mit 20 Prozent.

Mit dem Vorwurf, die Opposition zur PiS mit seiner Neugründun­g zu schwächen, muss Biedroń vorerst leben. Zunächst müsse sich der Frühling in Polens Parteienla­ndschaft profiliere­n. Erst wenn das geschafft ist, stellt sich für Biedroń die Frage nach einer großen Anti-PiS-Koalition.

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Foto: AFP / J. Skarzynski Robert Biedroń startet direkt in den EUWahlkamp­f.

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