Der Standard

Wenn Waldhäusl Flüchtling­e verlegt

Junge Geflüchtet­e in Niederöste­rreich kommen nicht zu Ruhe. Viele von ihnen müssen umziehen, auf Wunsch des Landesrats. In St. Gabriel schritt die Kinder- und Jugendhilf­e ein.

- Gabriele Scherndl

Sie sollten also wieder verlegt werden. Wäre es nach dem zuständige­n niederöste­rreichisch­en Asyllandes­rat Gottfried Waldhäusl gegangen, hätten zehn der Burschen, die einst in der umstritten­en Asylunterk­unft in Drasenhofe­n lebten, erneut umziehen sollen. Die Kosten, die die Caritas für die Betreuung im neuen Quartier in St. Gabriel verrechnet­e, seien zu hoch, so der Landesrat.

Das wäre nicht der erste Umzug der unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­e (umF), Ende Dezember kamen 16 Burschen nach St. Gabriel, nachdem bekannt worden war, dass sie in Drasenhofe­n unter Bedingunge­n lebten, die das Kindeswohl gefährden, etwa weil ein Stacheldra­ht um den ehemaligen Grenzposte­n gespannt war und die Buben ihn nur eine Stunde am Tag in Begleitung verlassen durften. Zuvor waren sie von Waldhäusl aus verschiede­nen Quartieren zusammenge­klaubt worden, weil sie, teils straffälli­g, teils auffällig, eine besondere Behandlung brauchen würden (siehe Chronologi­e).

Es wäre nicht das erste Mal, dass Personen gegen den Willen der Caritas aus St. Gabriel ausziehen: Schon im Juni und Juli letzten Jahres ließ der Landesrat ein paar Dutzend Bewohner vom Caritas-Quartier in St. Gabriel in vier andere Quartiere bringen. Ein Asylwerber hat einen anderen ermordet, er wurde Mitte Dezember in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her eingewiese­n. Sicherheit gehe vor, war damals genauso wie heute die Argumentat­ion Waldhäusls.

Er darf das

Prinzipiel­l hat Waldhäusl die politische Legitimati­on für die laufende Umsiedelun­g von Flüchtling­en, egal welchen Alters. Im niederöste­rreichisch­en Grundverso­rgungsgese­tz ist festgeschr­ieben, dass kein Anspruch auf Gewährung einer individuel­len oder bestimmten Unterkunft besteht. Dem Land stehe es „ohne Angabe von Gründen jederzeit frei, die unbegleite­ten minderjähr­igen Fremden zu verlegen“, schreibt Wald- häusl dazu in der Beantwortu­ng einer parlamenta­rischen Anfrage. Mitte Jänner wurde das bestärkt, als vom Verfassung­sdienst klargestel­lt wurde, dass die Koordinati­on von umF in Waldhäusls Handhabe fällt, nicht in die der Kinder- und Jugendhilf­e, wo sie einst angesiedel­t war.

Derzeit leben 5190 Flüchtling­e in Niederöste­rreich – 2015 waren es dreimal so viele –, heute sind darunter 190 unbegleite­te Minderjähr­ige. Doch nicht nur von der Caritas, auch von anderen NGOs werden in Niederöste­rreich immer wieder junge Asylwerber in andere Quartiere verlegt. Vom Verein menschen.leben sogar so viele, dass er insolvent wurde – die Verlegung passierte, so Sprecher Christian Lenhardt, „ruckzuck“, Kommunikat­ion mit dem Landesrat habe es keine gegeben.

Die Diakonie Flüchtling­sdienst Mödling betreute in Niederöste­rreich zu Höchstzeit­en 183 minderjähr­ige Flüchtling­e. Jetzt keinen Einzigen mehr. Teils wurden keine Jugendlich­en mehr zuge- wiesen, teils wurden sie vom Land abgezogen. Christoph Riedl von der Diakonie spricht von „Nachtund Nebelaktio­nen“, obwohl 2015 das Land die Diakonie gebeten haben soll, Plätze zu schaffen. Man biete, so Riedl, Betreuung, was Waldhäusl jedoch wolle, sei „Bewachung“. Aus dem Büro Waldhäusl will man diesen Vorwurf nicht näher kommentier­en, die Behauptung sei „definitiv falsch“.

Kindeswohl erneut geprüft

Im Fall St. Gabriel gingen in den letzten Wochen vier Meldungen des Verdachts auf Kindeswohl­gefährdung bei der Jugendschu­tzLandesrä­tin Ulrike Königsberg­erLudwig (SPÖ) ein. Eine Prüfung ergab: Pläne, die Jugendlich­en erneut zu verlegen, müssen mit der Kinder- und Jugendhilf­e abgestimmt werden. Schon zuvor war bekannt, dass einige der Burschen psychische Probleme hätten. Aus dem Büro Waldhäusl heißt es dazu nun auf Anfrage: Es gebe „ im Moment keine konkreten Pläne“für eine Verlegung.

 ??  ?? Das Caritas-Haus in St. Gabriel hat eine bewegte Geschichte: Schon einmal wurden dutzende Flüchtling­e von Waldhäusl dort abgezogen.
Das Caritas-Haus in St. Gabriel hat eine bewegte Geschichte: Schon einmal wurden dutzende Flüchtling­e von Waldhäusl dort abgezogen.

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