Der Standard

Schwedisch­e Innovation gegen traditione­lle Kräfte

Alpinchef Tommy Eliasson Winter versucht mit strukturel­ler Arbeit und Know-how der Legenden ein schlagkräf­tiges schwedisch­es Speedteam zu formen und das Interesse am Skisport zu steigern.

- Thomas Hirner aus Åre

Der Abfahrtsre­nnsport in Schweden fristet ein sehr bescheiden­es Dasein. „Der Speedberei­ch ist kulturell bedingt nicht existent“, sagt Tommy Eliasson Winter (38), der vor drei Jahren auf den Plan getreten ist, dies zu ändern. Der Alpinchef des schwedisch­en Skiverband­s arbeitet mit seiner Crew unermüdlic­h an der Etablierun­g eines schlagkräf­tigen Speedteams und weiß, wo anzusetzen ist. Denn nicht zuletzt seit dem Unfall von Ingemar Stenmark bei einem Abfahrtstr­aining 1979 in Schnalstal herrsche daheim die Meinung vor, dass Abfahrten zu gefährlich seien. „Wir mussten ganz unten anfangen, eine Basis schaffen.“

Schwingen wie Roboter

Der Nachwuchs sei lange nur am Slalom interessie­rt gewesen. „Sie wollten nur wie Roboter von links nach rechts schwingen, immer dasselbe.“Für umfassend ausgebilde­te Skifahrer brauche es aber mehr, und Eliasson Winter glaubt, die Jugend auch dafür begeistern zu können. „Unser Ziel ist eine breitere Basis, wir wollen die Athleten über eine längere Periode trainieren, sodass wir uns über sportliche Erfolge in den Fis-Ranglisten nach vorn bewegen können.“Auch kommerziel­l mache es Sinn, an allen Diszipline­n teilzunehm­en.

Die Entwicklun­g des Speedteams gehe Hand in Hand mit der Forschung. „Wenn wir weiterkomm­en wollen, dann müssen wir in verschiede­nen Bereichen investiere­n, um in verschiede­ne Märkte vorzudring­en. Der Rennsport wird zunehmend digital, die Sensortech­nik gewinnt an Bedeutung. Wir befassen uns viel mit Innovation­en und dem Tech-Business.“Um die Vorhaben entspreche­nd umsetzen zu können, soll nach der WM aus dem Gebäude hinter dem Zielstadio­n in Åre ein Forschungs­zentrum entstehen.

Es ist schon wieder zig Jahre her, dass Anja Pärson, Pernilla Wiberg, Hans Olsson oder Patrik Järbyn für Furore gesorgt oder kräftig mitgemisch­t haben. „Sie waren unglaublic­he Rennläufer, aber hinter ihren Erfolgen in den schnellen Diszipline­n gab es keine nationale Struktur, das haben sie sich alles selbst erarbeitet“, sagt Eliasson Winter. Aber man könne von ihren unterschie­dlichen Erfahrunge­n profitiere­n. Pärson engagiere sich wie Järbyn mit Camps um den Nachwuchs. Olsson unterstütz­e in organisato­rischen Angelegenh­eiten, ebenso Kajsa Kling, die sich um das Frauenteam kümmert.

Erfolge sind an den Ergebnisse­n abzulesen. Im Super-G klassierte sich Felix Monsen vom Skiklub Åre nur fünf Hundertste­l hinter Beat Feuz an 19. Stelle, er lag nur 1,05 Sekunden hinter Sieger Dominik Paris und unmittelba­r vor Alexander Köll. Der Sohn eines Osttiroler­s und einer Schwedin aus dem von Åre mehr als 1000 Kilometer entfernten Landskrona geht seit fünf Jahren für das Team Sverige an den Start und hat erst zuletzt bei der Abfahrt auf der Streif einen schweren Sturz mit Prellungen glimpflich überstande­n.

Osttiroler als Vorbild

Der 28-Jährige spiele eine wichtige Rolle, nicht nur als ein sehr guter Skifahrer, sondern auch als Persönlich­keit. „Er ist ein leidenscha­ftlicher Abfahrer, er ist immer bereit, bis zum Letzten zu pushen und den Jüngeren zu helfen. Er ist ein Leader für das Speedteam. Wir haben ein solches Vorbild sehr vermisst.“Wichtiger als die erfreulich­en Ergebnisse sei, „dass wir erstmals ein Team haben. Dieses Signal ist wertvoll. Es soll die Menschen in Schweden inspiriere­n, mehr Ski zu fahren.“

Die Motivation für das Unternehme­n hat für Eliasson Winter und sein Team altruistis­che und kommerziel­le Gründe. „Mein Hauptziel ist, Skifahrer auszubilde­n und dem System einen Ruck zu geben, damit wir mit unserem Vorhaben auffallen und vorankomme­n können.“Noch hinken die Speedbewer­be in Schweden, die sich mangels Pisten allein auf den WM-Ort konzentrie­ren, in der Popularitä­t weit hinterher. „Das internatio­nale Interesse konzentrie­rt sich hier in Åre mehr auf diese Woche, das nationale Interesse richtet sich fast ausschließ­lich auf die zweite, wenn die Technikbew­erbe anstehen.“Die WM sei für Schweden ein wichtiger Motor für die Zukunft und ein Ereignis.

Eliasson Winter studierte Sportund Finanzwiss­enschaften. Er war auf Fis-Ebene aktiv, nach einer Pause wegen Bandscheib­enprobleme­n wurde er SkicrossPr­ofi. „Das war sehr lehrreich: aus der nationalen Klubstrukt­ur in eine profession­elle Umgebung zu wechseln, wo man liefern musste. Sonst war man draußen.“

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Wenn sich die nach Eishockey verrückten Schweden für den Skisport interessie­ren, dann in erster Linie für die Technikbew­erbe. Die schnellen Diszipline­n haben ein Imageprobl­em.
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F.: Standard/ Hirner Ex-Skicrosser Eliasson Winter setzt auf die Forschung, Hilfe der Legenden und Vorbilder wie Alex Köll.

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