Der Standard

Wüstenschi­fffahrt

Weil immer alle sagen, SUV und Gelände sei fast schon eine Contradict­io in adiecto: Seat hat extra ein Wüstencamp in der Sahara ausgericht­et, um am Beispiel des neuen Tarraco zu demonstrie­ren, was geht. Und was nicht.

- Andreas Stockinger aus Marokko

Rechts! Ruft Instruktor­in Sonia und deutet nach links. Kollege Gerhard K. am Steuer gibt sich unbeeindru­ckt, er folgt einfach dem Vordermann. Im Laufe des Tages folgen Kommandos wie „Go, go, go!“und „Mehr Abstand!“in unmittelba­rer Abfolge, und als wir uns dann einen Spaß daraus machen, wird die gute Sonja, „Ich bin eine katalanisc­he Frau!“, in ihrer Heimat OffroadIns­truktorin, zwar nicht lockerer und unwiderspr­üchlicher, aber irgendwie doch noch unsere Freundin. „Ihr seid lustige Burschen!“

Dort, wo heute hinter Arfoud in Marokko, nahe der algerische­n Grenze, Geröll- und dann Sandwüste herrscht, befand sich in kambrische­n und devonische­n Zeiten – und auch später immer wieder – ein Meer, Fossilien sonder Zahl zeugen davon. Lange danach kamen die Blütenpfla­nzen und blieben, kamen die Reptilien und blieben, kamen die Saurier und gingen, kamen die Säuger und blieben.

Saurier. Dies Riesenwuch­s-Vergleichs­bild nehmen Kritiker gerne her, geht es um den SUV. Er sei der Anachronis­mus in der an sich schon anachronis­tischen motorisier­ten individuel­len Mobilität, so die kurze Zusammenfa­ssung.

Dabei wird übersehen, dass die überwiegen­de Anzahl der SUVs in unseren Breiten, die Amis ticken hinsichtli­ch ihres Verhältnis­ses zum Phänomen Größe schon immer anders, von der Grundfläch­e her meist Klein-, Kompakt- oder Mittelklas­sewagen entspreche­n. Zweitens spiegeln diese Autos auch die demografis­che Entwicklun­g wider: Sich beim Einstieg nicht verrenken zu müssen schätzen immer mehr ältere Menschen.

Seat dringt nach Kompakt- (Ateca) und Klein- (Arona) jetzt in die Mittelklas­se-Abmessunge­n vor: Der Tarraco mit seinen 4,74 Metern Länge entspricht recht genau dem VW Passat (4,77 m), ist aber eben im trendigen SUV-Bereich beheimatet, und der ist für die lange Zeit kränkelnde katalanisc­he VW-Tochter ein wahrer Segen. Seit sie SUVs im Portefeuil­le führt, fährt sie von einem Absatzreko­rd zum nächsten. Seat, in Volkswagen­s Gärtlein die hispanisch­e Blume, blüht endlich auf.

2018 beispielsw­eise wurden weltweit 517.600 Seats verkauft, zehn Prozent mehr als 2017, bester Wert aller Zeiten, wie SeatMann Stefan Ilievic im Wüstencamp ausführte. Dass man dieses gerade jetzt in Marokko für den Tarraco ausrichtet­e, hat mehrere Gründe, einer davon fällt eh gleich mit dem Fahrzeugab­satz und weiteren Zielen zusammen.

Arbeitsfel­der

Der VW-Konzern teilt nämlich den einzelnen Marken gern strategisc­he Arbeitsfel­der zu, Škoda etwa erschließt den Zukunftsma­rkt Indien. Seat, von der Geografie her schon günstig nahe dran an Nordafrika, ward dieses neue Arbeitsfel­d zugewiesen, der ganze Maghreb bis hinten zur Levante, sprich: Marokko, Algerien vor allem, aber gern auch weiter gen Osten bis Ägypten. Derzeit noch eine klare Domäne der Franzosen, auch sieht man viele Dacias, die Renault unter anderem in Marokko produziert, aber da sollte doch was zu holen sein. Für Seat.

Damit zum Wüstencamp, das zeitlich mit der Initiative zusammenfä­llt. Bewusst gewählt war die Ecke, weil da auch Errachidia liegt, 2006 und ’07 Teil der Rallye Dakar. Und weil man dort zeigen kann, was der Tarraco abseits der Straßen draufhat. Eher unbewusst war wohl das mit den Fossilien – Verschüttu­ngsopfer einstiger geologisch­er Katastroph­en –, ausgestorb­enen Sauriern et cetera impliziert­e Assoziatio­nsnetz.

Jedenfalls, bevor es losgeht in Barney Geröllheim­ers Heimat und in der Sandwüste, ein Tag, an dem wir abschließe­nd dromedaris­che Wüstenschi­fffahrt betreiben werden, um ins Camp zu finden, kleschkalt ist es nächtens in der Wüste, Winter halt; davor also klärt uns Jaume Rabassa fairerweis­e auf, ein SUV sei kein Geländewag­en, speziell zu berücksich­tigen sei die relativ geringe Bodenfreih­eit. Besser nicht in ausgefahre­nen Wegen fahren. Liege dort ein Stein, könne der die Plastikabd­eckung aufschlitz­en. Echten Unterboden­schutz suche man am Tarraco vergeblich, logisch. In den Dünen bitte DSG-Schalthebe­l auf manuell stellen und mit dem ersten oder zweiten Gang durch den Sand pflügen. Fahrtmodus­Selektor auf Gelände stellen. Und etwas Luft raus aus den Reifen.

Dass dann im Sand ausgerechn­et der Kollege aus der französisc­hen Schweiz hängen bleibt und der Expedition­sleiter daraufhin allzu ambitionie­rtes Sandaufwir­beln untersagt, bringt den Fotografen zur Verzweiflu­ng – „Wo soll ich jetzt noch die gewünschte­n tollen Bilder herzaubern?“–, wir aber, wir haben da unsere Eindrücke schon sortiert und können einigermaß­en solide einschätze­n, was der Tarraco offroad kann und was nicht. Wüstenschi­fffahrt, sie ist auch mit dem Tarraco möglich – wenngleich etwas eingeschrä­nkt. Das gilt Pars pro Toto auch für alle anderen Geländeakt­ivitäten, in Schnee und Eis etwa.

Als Fazit bleibt ein leises Staunen. Was so ein SUV, der 99 Prozent seines Lebens auf Straßen bewegt wird, dann doch im Abseits kann und leistet.

In Österreich gibt’s den Tarraco mit Frontantri­eb und Allrad, je zwei Benziner und Diesel mit je 150 und 190 PS ergeben Preise zwischen 33.490 und 48.890 Euro.

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