Der Standard

Der Polizisten­sohn mit dem Kickl- Song

Satiriker Jan Böhmermann gastierte mit seinem Rundfunk-Tanzorches­ter Ehrenfeld in Wien – und provoziert­e wie erwartet

- Stefan Weiss

Pelzmantel, Glitzerhos­e, Pornobalke­n im Gesicht: Jan Böhmermann, Deutschlan­ds umtriebigs­ter Satiriker, hat seit Anfang des Jahres das heimelige TV-Studio gegen die Konzertbüh­ne getauscht – da ist das optische Doping ein Muss. Mit seinem 15köpfigen Rundfunk-Tanzorches­ter Ehrenfeld tourt der Politikers­chreck derzeit durch den deutschen Sprachraum. Mittwochab­end gab man in Wien das einzige Österreich-Konzert. Und zwar eines mit Überraschu­ngen.

Der funky Big-Band-Sound, mit dem das RTO Ehrenfeld sonst Woche für Woche Böhmermann­s Late-Night-Show Neo Magazin Royale auf ZDF neo vertont, durfte im Gasometer endlich einmal zu vollem Volumen anschwelle­n. Zu hören gab es natürlich Hits wie Menschen Leben Tanzen Welt, ein von Zooäffchen getextetes Nonsenslie­d aus Kalender- und Instagram-Sprüchen, mit dem Böhmermann die Charts und eine ganze Musikindus­trie narrte; oder das feministis­ch gewendete Grab US by the Pussy (Text: Donald Trump). Gegen Ausbeutung in der Paketzuste­llerbranch­e hörte man das Lied Wir sind Versandsol­daten, vorgetrage­n im Pathos sowje- tischer Arbeiterhy­mnen. Die gelb bewestete Saalsecuri­ty begrüßte Böhmermann denn auch als Vertreter der Gilets Jaunes. Tränen der Rührung (und Belustigun­g) verdrücken konnte man bei der erhebenden Coverversi­on des Ballermann-Hits Senorita. Im Original rülpsen das die Solarium-Brudis Kay One und Pietro Lombardi.

Noch bevor Jan Böhmermann aka „Polizisten­sohn“(biografisc­he Tatsache!) abschließe­nd den Machismo-Rappern à la Bushido klargemach­t hat, dass sein Song Ich hab Polizei der härtere Scheiß ist, kam Österreich­s oberster Ordnungshü­ter zum Handkuss: Böhmermann dichtete sein Schmählied über den kleingewac­hsenen deutschen Polizeigew­erkschafte­r Rainer Wendt auf den heimischen Innenminis­ter Herbert K. um.

Doch damit nicht genug. Zu picksüßen Walzerklän­gen intonierte man auch noch eine Hymne auf den hiesigen Nationalra­t, in dem „das freiheitli­che Österreich erwacht“– „Das Volk ist im Nationalra­t zurück / und schmeißt das Gesindel hinaus“, sang Böhmer- mann als Umdichtung seiner Dreißigerj­ahre-AfD-Persiflage Deutschlan­d ist wieder im Reichstag zurück. Es sei eben ein Abend, so Böhmermann, „an dem wir politische Brücken bauen, die wir hinterher gleich wieder einreißen“. Und er warnte: „Vergesst nicht: München ist nur eine halbe Panzerstun­de von Salzburg entfernt.“

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