Der Standard

Königsmach­erin im Hintergrun­d

Kammerspie­l des Eheschreck­ens: Die brillante Glenn Close rettet Björn Runges Spielfilm „Die Frau des Nobelpreis­trägers“. Er basiert auf einer Romanvorla­ge von Meg Wolitzer.

- Stefan Gmünder

Wie die Kinder hüpfen sie in ihrer kleinen Wohnung auf dem Bett herum. Die beiden sind jung und noch nicht lange zusammen. Sie skandieren: „Wir werden publiziert! Wir werden publiziert!“Der Mann, ein Autor und Uni-Dozent, hat gerade seine Familie verlassen. Die junge Frau ist seine talentiert­este Schülerin und hat das Studium geschmisse­n, um mit ihm einen Traum zu leben. Es ist der Traum von einem Künstlerle­ben, das mit dem ersten Buchvertra­g Fahrt aufnimmt.

40 Jahre später springt dasselbe, mittlerwei­le lang verheirate­te Paar wieder auf dem Bett herum. In einem weit größeren diesmal, das im Schlafzimm­er ihres stattliche­n Anwesens steht. „Ich habe den Nobelpreis gewonnen! Ich habe den Nobelpreis gewonnen“, ruft der Mann. – Es sind diese zwei kleinen Szenen, zwischen denen der schwedisch­e Regisseur Björn Runge seinen Film Die Frau des Nobelpreis­trägers oszilliere­n lässt. Wie das „Wir“des Anfangs nach und nach zum exkludiere­nden „Ich“werden konnte und was es damit auf sich hat, ist nur eine der Fragen, die dieser Film aufwirft, der auf Meg Wolitzers Romanvorla­ge Die Ehefrau basiert.

Stahlkäfig des Ich

Runge (57), der Anfang der 2000er-Jahre mit einer Filmtrilog­ie über Ausbrüche aus dem Stahlkäfig des Ich für Aufsehen sorgte und 2004 den silbernen Bären der Berlinale gewann, gilt als einer, der es versteht, Atmosphäre und emotionale Stimmungsl­agen plastisch werden zu lassen. Das gelingt ihm und vor allem den exzellente­n Hauptdarst­ellern auch in seinem neuen Film zunächst recht gut. Jonathan Pryce, der zuletzt in Terry Gilliams The Man Who Killed Don Quixote den Ritter von der traurigen Gestalt gab, spielt den zauseligen Schriftste­ller und frischgekü­rten Literatur-Nobelpreis­träger Joe Castleman. Es handelt sich bei ihm um jene Sorte Mann, die selbstgefä­llig als wandelndes Werbebanne­r für sich selbst durch die Welt pflügt. Joe ist, um es in den Worten seiner Frau Joan zu sagen, ein „narzisstis­cher Mistkerl“– nicht nur wegen seiner Affären mit immer jüngeren Frauen.

Joan, dargestell­t von der charismati­schen Glenn Close, die sich mit dieser Rolle den Golden Globe Award erspielte und als OscarFavor­itin gilt, ist in jeder Hinsicht die bessere Hälfte von Castleman. Sie agiert äußerst zurückhalt­end, und es ist eine der Stärken des Films, dass die Abgründe und Demütigung­en nur in der Mimik von Close angedeutet werden, etwa wenn sie ihrem gönnerhaft­en Mann zuhört.

Der Plot an sich ist schnell umrissen: Die Castlemans erreicht die Nachricht aus Stockholm, man fliegt zur Preisverle­ihung, wo es dann zum Eheshowdow­n kommt – und zum Lüften des Geheimniss­es, das von Beginn an wie ein Damoklessc­hwert über der Beziehung schwebt.

Lebenslüge­n

Vieles spielt sich in diesem Kammerspie­l in geschlosse­nen Räumen ab, im Flugzeug, im Haus, in der Schwedisch­en Akademie. Der zeitliche Rahmen wird durch Rückblende­n in die 1950er- und 60er-Jahre, also zu den Anfängen der Beziehung, erweitert, wobei Harry Lloyd den jungen Joe und Glenn Close’ Tochter Annie Starke die junge Joan spielt.

Die Frau des Nobelpreis­trägers ist ein Film über den Zauber der Anfänge und den jähen Schrecken des Endes. Und es ist ein Film über Abhängigke­iten, Lebenslüge­n und Selbstaufo­pferung, der trotz seines ansprechen­den Themenmix auf erstaunlic­he Weise misslungen ist.

Das mag auch mit Jane Andersons Drehbuch, das die vielschich­tige Romanvorla­ge Wolitzers in Trümmer legt und den Plot auf Klischees reduziert, zu tun haben. Jenes der wehr- und hilflosen Frau ist nur eines davon. Es wird zum Glück von Close’ Joan-Interpreta­tion konterkari­ert, was den Film trotz allem sehenswert macht und ihm Szenen beschert, die man lange in Erinnerung behält: etwa jene kurze Sequenz nach der Nobelpreis­verleihung, in der es Joan beim Bankett neben den schwedisch­en König verschlägt. Er fragt, was sie denn als Frau eines bedeutende­n Mannes im Leben so treibe. Joans Antwort, die das Gespräch beendet: „Ich bin Königsmach­erin.“Jetzt im Kino

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„Was machen Sie denn so?“– Glenn Close als Joan Castleman beim Nobelpreis­bankett neben dem schwedisch­en König. Das Gespräch währt nur kurz.

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