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Dreieinhal­b Jahre nach Ausbruch von Dieselgate entzündet sich Streit zwischen Volkswagen und seinem Haus- und Hofliefera­nten Bosch. Die Wolfsburge­r wollen Schadeners­atz vom Urheber der Schummelso­ftware.

- Luise Ungerboeck

Nach dem Dieselskan­dal versucht VW nun, Partner und Zulieferer in die Pflicht zu nehmen.

Nach Milliarden­kosten für die Aufarbeitu­ng des Dieselskan­dals will Volkswagen seine Partner- und Zulieferer in die Pflicht nehmen. VW prüfe Schadeners­atzansprüc­he gegen Bosch, der „Weltauto“-Konzern sehe seinen Elektronik­zulieferer in der Mitverantw­ortung für entstanden­e Schäden, berichtet der Spiegel unter Berufung auf Konzernkre­ise.

Das Ansinnen klingt plausibel, hat der Wolfsburge­r Autobauer für die Beilegung des Abgasskand­als in den USA und in Europa doch inzwischen mehr als 28 Milliarden Euro aufgewende­t. Vom Stuttgarte­r Autoelektr­onikbauer hatten VW und Audi die Grundversi­on jener Software bezogen, die in großen Stil zur Manipulati­on von Abgaswerte­n bei Diesel-Kfzs genutzt wurde.

Die Robert Bosch GmbH geriet damit ihrerseits ins Visier der US-Justiz und zahlte Anfang Jänner insgesamt 131 Millionen Dollar (114 Mio. Euro) und beglich damit auch die Forderunge­n von 104.000 Dieselbesi­tzern von Fiat Chrysler. Wie Volkswagen erklärte auch Bosch, dass der US-Vergleich kein Schuldbeke­nntnis sei. Man vermeide nur langwierig­e, teure Verfahren.

Dass der Streit zwischen VW und seinem Lieferante­n tatsächlic­h vor Gericht landet, scheint freilich unwahrsche­inlich. Wohl arbeitet VW laut Spiegel seit dem Vorjahr daran, die Konzerne hätten sich aber inzwischen eine Frist gesetzt. Bis Ende März wollten die Partner über das weitere Vorgehen entscheide­n. „Bosch und Volkswagen verbindet ein jahrzehnte­langes Hersteller­Lieferante­n-Verhältnis. Wir können uns eine solche Klage gegen Bosch nicht vorstellen“, zitiert der Spiegel aus einer Stellungna­hme von Bosch. VW äußerte sich zu „Fragen, die etwaige interne vertraulic­he Vorgänge betreffen könnten“, nicht.

„Das ist, wie wenn die Panzerknac­ker den Bohrmaschi­nenherstel­ler verklagen“, kommentier­te der mit VW-Klagen befasste Anwalt Michael Poduschka die Vorgänge.

Anders als in Amerika, wo Volkswagen im September 2015 auf Druck der US-Umwelt- und Justizbehö­rden zugegeben hatte, bei der Abgasreini­gung von Dieselmoto­ren in großen Stil durch – auch in Europa unzulässig­e – Abschaltei­nrichtunge­n betrogen zu haben, streitet der Wolfsburge­r Konzern bei der Entschädig­ung von Fahrzeugha­ltern in Deutschlan­d und Österreich nach wie vor alles ab und spielt auf Zeit.

Jüngstes Beispiel: Am Landesgeri­cht Korneuburg, wo eines von 15 Sammelklag­sverfahren abgeführt werden sollte, machte der Richter kurzen Prozess, Er beschied Ende Jänner, dass das Gericht in Österreich nicht zuständig sei und der Kläger nach Braunschwe­ig gehen möge, wo Volkswagen-Klagen sonder Zahl anhängig sind.

Der Verweis an Braunschwe­ig widerspric­ht zwar der gängigen Judikatur der Oberlandes­gerichte (OLG) in Österreich, die internatio­nale Zuständigk­eit bejaht (einzig ein OGH-Beschluss zu einem Vorarlberg­er Fall fiel zugunsten des – vom österreich­ischen VW-Generalimp­orteur Porsche Austria schadlos gehaltenen – beklagten VW-Händlers aus). In allen anderen mehr als drei Dutzend Fällen ließen OLGs die Zivilverfa­hren gegen Volkswagen zu.

Die beklagte Volkswagen AG stützt ihre Argumentat­ion auf ein Gutachten von WUProfesso­r Paul Oberhammer, das eigens für die Sammelklag­en erstellt wurde. Oberhammer sieht Braunschwe­ig als einzig mögli- chen Gerichtsst­and: „Nicht die Gerichte am Ort des jeweiligen Autokaufs in Österreich und Europa sind objektiv am besten für die Beweiserhe­bung und Prozessdur­chführung (...) geeignet, sach- und beweisnah in diesem Sinne sind vielmehr die deutschen Gerichte am Sitz der Volkswagen AG. Dieser Gerichtsst­and entspricht am besten dem er- wähnten Ausnahmech­arakter von Klägergeri­chtsstände­n und der Vorhersehb­arkeit der Gerichtspf­lichtigkei­t.“

Die Gründe für eine Verlegung könnten freilich auch viel profaner sein: Klagen in Deutschlan­d sind aufwendig, Zehntausen­de österreich­ische VW-Kunden müssten zur Einvernahm­e nach Braunschwe­ig reisen. Auch die Erfolgsaus­sichten scheinen in Braunschwe­ig deutlich geringer: Gemäß einer Auflistung des deutschen Automobilc­lubs ADAC über laufende VW-Urteile lag die Chance, ein Abgasverfa­hren außerhalb von Braunschwe­ig für sich zu entscheide­n, bis April 2018 bei 7:1. Im Gerichtsbe­zirk der Volkswagen AG hingegen lag sie bei 1:30, war also deutlich geringer.

Wiewohl die Abweisung der VKI-Sammelklag­e in Korneuburg das mit Finessen der Prozessord­nung und Anträgen (etwa auf Senatsbese­tzung, was stets abgelehnt wird, weil der Streitwert in keiner Relation zu den Prozesskos­ten steht) gespickte Spiel auf Zeit fortsetzt – der Abweisung könnte auch ein anderes Kalkül zugrunde liegen: Das Gericht könnte den Weg zum Obersten Gerichtsho­f (OGH) eröffnen wollen. Das wäre eine Premiere im deutschspr­achigen Raum und wurde von VW stets verhindert, indem großzügige Vergleiche geschlosse­n, vor Weihnachte­n sogar ein seltenes Anerkenntn­isurteil akzeptiert (und damit den Schaden eines Kunden erstmals in Österreich anerkannt) wurde. Die Alternativ­e wäre unkalkulie­rbar, weil für ganz Europa gültig. Denn der Richter in Linz hatte angekündig­t, die Abgascausa dem Gerichtsho­f der Europäisch­en Union zur Vorabentsc­heidung vorzulegen.

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Als Selbstzünd­er brauchen Dieselfahr­zeuge zwar keine Zündkerzen von Bosch, aber Software für die Abgasreini­gung. Da kooperiert­en VW und Bosch eng.

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