Der Standard

Jeff Bezos und die Nacktfotos

Der Amazon-Chef und „Washington Post“-Eigner Jeff Bezos wirft dem Donald-Trump-freundlich­en Medium „National Enquirer“vor, mit Nacktfotos ein Ende der Berichte und Nachforsch­ungen zur Russland-Causa erpressen zu wollen.

- Manuel Escher FRAGE & ANTWORT:

Es ist eine von wenigen Sicherheit­en in einer sehr verworrene­n Geschichte: Zwischen Donald Trump, dem Präsidente­n der USA, und Jeff Bezos, dem reichsten Mann der Welt, ist die Stimmung seit Jahren vergiftet. Trump nimmt dem AmazonChef kritische Berichte in der Wa

shington Post übel, die Bezos im Jahr 2013 aufgekauft hatte. Gern spricht der Präsident in Tweets von der „Amazon Washington Post“, obwohl die Zeitung Bezos, nicht Amazon gehört.

Mehrfach hat Trump auch das U.S. Postal Service aufgeforde­rt, die Tarife für die Paketbeför­derung zu erhöhen, um Amazon und Bezos zu schaden. Anlass waren meist Berichte der Washington

Post über die Tätigkeit des Sonderermi­ttlers Robert Mueller, der Verbindung­en zwischen Trumps Wahlkampag­ne 2016 und dem Kreml sowie anderen Unregelmäß­igkeiten auf den Grund gehen soll. Nun aber hat die Fehde zwischen den beiden Männern ein neues Level erreicht.

Frage: Was ist passiert?

Antwort: Bezos, seit Mitte Jänner von seiner Frau getrennt, wirft der Firma American Media Inc (AMI) in einem Blogeintra­g vor, ihn zu erpressen. Das Unternehme­n habe damit gedroht, intime SMS und Nacktfotos zu veröffentl­ichen, die er – angeblich vor der Trennung – an seine Geliebte, Lauren Sanchez, geschickt hatte.

Konkret hätten Vertreter des Boulevardb­latts National Enqui

rer, das AMI gehört, Bezos die Veröffentl­ichung der intimen Details für den Fall in Aussicht gestellt, sollte er nicht öffentlich Behauptung­en über AMI-Chef David Pecker zurücknehm­en und die Nachforsch­ungen zur Causa einstellen.

Pecker, ein bis vor kurzem enger Freund Trumps, ist eine bedeutende Figur der Ermittlung­en rund um die möglicherw­eise illegale Finanzieru­ng des TrumpWahlk­ampfs von 2016. AMI soll auf sein Betreiben hin dem Model Karen McDougal eine Geschichte über eine Affäre mit Trump exklusiv abgekauft haben – nicht mit der Absicht, sie zu publiziere­n, sondern, um andere an der Veröffentl­ichung zu hindern. Das könnte illegale Wahlkampfh­ilfe sein.

Frage: Bezos hat die Trennung Mitte Jänner öffentlich gemacht. Wieso jetzt die angebliche Erpressung?

Antwort: Bezos und seine bisherige Frau MacKenzie hatten die Trennung Mitte Jänner in einer Pressemitt­eilung bekanntgeg­eben. Beide betonten in dem Text, dass es sich um eine einvernehm­liche Trennung handle. Manche Beobachter führten das auch auf wirtschaft­liche Interessen zurück.

MacKenzie Bezos steht die Hälfte des Vermögens zu. Das könnte bedeuten, dass es bei Amazon zu Umschichtu­ngen kommen könnte. Sollte der Eindruck von Streit zwischen den beiden entstehen, würde das andere Aktionäre nervös machen. Dann könnten Jeff und MacKenzie Bezos Geld verlieren.

Die gemeinsame Erklärung erschien damals offenbar aber nicht aus freien Stücken. Jeff Bezos hatte davon Wind bekommen, dass der National Enquirer SMS und Fotos besitze, die ihm eine Affäre nachweisen würden. Er entschied sich, dieser Veröffentl­ichung zuvorzukom­men. Zudem engagierte Bezos einen Ermittler: Gavin de Becker. Dieser sollte herausfind­en, wie der Enquirer an die SMS und Fotos gelangt sein könnte. Vor allem aber versucht er auch herauszufi­nden, welche Absprachen es zwischen Pecker und der Trump-Kampagne gegeben hat – und ob womöglich noch immer im Geheimen kooperiert wird.

Diese Ermittlung­en sind es, die AMI-Chef David Pecker besonders verärgern. Ihretwegen schickten Anwälte von AMI nun der Darstellun­g Bezos’ zufolge ein Schreiben, in dem sie schildern, welche Fotos und SMS sie von ihm besitzen („ein Selfie unter der Gürtellini­e – gemeinhin bekannt als ‚dick pick‘“). Wenn Bezos eine Veröffentl­ichung vorläufig abwenden wolle, solle er öffentlich in Abrede stellen, dass AMI „politisch motivierte Berichters­tattung“betrieben habe. Dies lehnt Bezos ab.

Frage: Wurden denn auch andere Journalist­en oder Medien erpresst? Antwort: Das ist unklar. Der Journalist Ronan Farrow, der auch in Sachen Karen McDougal berichtet hatte, schrieb auf Twitter, auch er habe eine ähnliche Drohmail von AMI-Vertretern erhalten. Zudem wisse er von einem anderen Kollegen, der ebenfalls von AMI ein ähnliches Mail erhalten habe.

Frage: Hat die Sache eine Bedeutung für die Trump-Ermittlung­en?

Antwort: Das ist nicht ganz sicher. David Pecker und AMI kooperiere­n seit Mitte August eigentlich mit den Mueller-Ermittlern. Diese haben Straffreih­eit zugesagt. Das gilt aber nur dann, wenn er keine neue Straftat begeht. Die Mails an Bezos könnten als Erpressung aufgefasst werden. Dadurch würde Pecker seine Straffreih­eit wieder verlieren – ebenso die Firma AMI.

Für Trump ist die Angelegenh­eit vorerst eher unschön als brisant. Das könnte sich aber ändern, wenn de Becker Beweise für Absprachen mit Pecker finden sollte.

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