Der Standard

Quadratisc­h. Aber praktisch?

Wer seine Stimme teilt, stimmt öfter ab

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Haben Sie schon einmal für eine Partei gestimmt, von der Sie sonst wenig überzeugt waren, nur weil sie eine einzige Position vertreten hat, die Ihnen wichtig war? Würden Sie gerne öfter an Volksabsti­mmungen teilnehmen, fürchten aber, dass diese zu einer „Tyrannei der Mehrheit“verkommen könnten, wenn alle Staatsbürg­er über das Schicksal einer Minderheit entscheide­n? Möchten Sie statt einer Partei eine Koalition wählen – und sich gleich auch aussuchen, welcher Koalitions­partner der stärkere sein soll? Dann kann es sein, dass ein obskures System zweier Wissenscha­fter aus den USA für Sie das Richtige wäre: „Quadratic Voting“soll es laut den US-Ökonomen Steven P. Lalley und Glen Weyl Wählerinne­n und Wählern erlauben, Parteien und Themen, die ihnen wichtig sind, besonders intensiv zu unterstütz­en – und jene Wahlen, die ihnen egal sind, zu ignorieren.

Möglich wird das, indem Abstimmend­e nicht nur über eine einzige Stimme verfügen, sondern über ein Stimmenkon­to, das jedes Jahr aufgefüllt wird – zum Beispiel auf 25 Punkte. Diese Punkte können bei allen möglichen Entscheidu­ngen eingesetzt werden: bei Parlaments­wahlen, bei Volksentsc­heiden von Steuerquot­e bis Migrations­pakt oder bei lokalen Abstimmung­en über das nächste Hochhauspr­ojekt oder die Frequenz der Müllabfuhr. Der Clou dabei: Es können mehrere Stimmen pro Wahl abgegeben werden, ihr Preis in Punkten quadriert sich dann aber. Eine Stimme kostet also einen Punkt, zwei Stimmen vier, drei Stimmen neun etc.

Wählerinne­n und Wähler könnten theoretisc­h also an 25 Abstimmung­en im Jahr teilnehmen – oder bei einer, die ihnen wichtig ist, fünf Stimmen zum Preis aller 25 jährlich verfügbare­n Punkte abgeben. So könnte in der Theorie sichergest­ellt werden, dass etwa Mitglieder von Minderheit­en bei Fragen, die sie besonders betreffen, stark mitspreche­n können – und dass es Kompromiss­e gibt. Immerhin bekäme jeder das, was ihm oder ihr besonders wichtig ist.

Fraglich ist freilich, wie das System praktisch umsetzbar wäre. Und ob es geheime Wahlen erlaubt. Denn schließlic­h wäre etwa nachvollzi­ehbar, wann wie viele Punkte vom Konto behoben wurden.

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