Der Standard

Das kleinste Übel siegt

Rang-Wahl gegen radikale Minderheit­en

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Das beste Argument, das Unterstütz­er der Rang-Wahl derzeit haben, sitzt im Weißen Haus. US-Präsident Donald Trump wurde nicht von einer Mehrheit der USamerikan­ischen Wählerinne­n und Wähler gewählt. Und dass eine Mehrheit in den wahlentsch­eidenden Bundesstaa­ten Wisconsin, Michigan und Pennsylvan­ia ihn seiner Konkurrent­in Hillary Clinton vorgezogen hätte, ist unsicher. Denn in allen drei Bundesstaa­ten reichen Trump relative Mehrheiten zwischen 47 und 48 Prozent der abgegebene­n Stimmen zum Sieg. Rund fünf Prozent der Wählerinne­n und Wähler hatten ihre Stimme der Grünen Jill Stein, dem Libertären Gary Johnson oder anderen Kleinstpar­tei-Kandidaten gegeben.

Das Phänomen ist aber nicht auf die USA beschränkt. Auch in Österreich fürchten Wähler kleiner Parteien, ihre Stimme zu „verschenke­n“, weil die Wunschpart­ei die Vier-Prozent-Grenze nicht erreichen könnte. Die Grünen verweisen bei der Analyse ihres Parlaments-Aus von 2017 auf den polarisier­ten Wahlkampf an der Spitze, der viele Unterstütz­erinnen und Unterstütz­er die SPÖ habe wählen lassen. Umgekehrt kann die KPÖ bei den Gründen ihres anhaltende­n Scheiterns auf Grüne und SPÖ verweisen, christlich­e Parteien auf die ÖVP.

Die Idee der Rang-Wahl will dem ein Ende bereiten, indem Wählerinne­n und Wähler nicht eine Stimme abgeben, sondern eine Liste ihrer Wahlpräfer­enz. Besonders intuitiv ist dieses System für Systeme mit Mehrheitsw­ahlrecht: Gewinnt keiner der Kandidaten in der ersten Auszählung 50 Prozent der Stimmen, fällt jener mit der geringsten Zustimmung aus dem Rennen – dann wird neu ausgezählt.

Das System ist aber auch in Demokratie­n mit Listenwahl einsetzbar: so etwa in Irland, Australien, Malta. Dort wird pro Wahlkreis zusätzlich eine Mindestzah­l an Stimmen ermittelt, die ein Kandidat überwinden muss, um gewählt zu werden. Ist diese bei Auszählung eines Wahlzettel­s schon erreicht, geht die Stimme an die zweitplatz­ierte Person.

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