Der Standard

„Der Papamonat ist bei uns bereits umgesetzt“

Immer mehr Männer haben den Anspruch, Zeit mit dem Kind zu verbringen. Die Vereinbark­eit von Beruf und Familie muss auch für sie gelten. Ein abgesicher­ter Papamonat wäre ein wichtiger erster Schritt.

- Claudia Sorger CLAUDIA SORGER ist Soziologin bei L&R Sozialfors­chung in Wien. maennerund­vereinbark­eit.at

Seitens Hofer werden bereits alle Weichen für werdende Väter gestellt, um einen Papamonat zu ermögliche­n. Die Voraussetz­ung ist, dass es die Arbeitsstr­uktur ermöglicht und auch die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen erfüllt werden. Sind diese Kriterien gegeben, kann grundsätzl­ich jeder Mitarbeite­r den Papamonat in Anspruch nehmen. Wir haben daher den Papamonat bereits im gesamten Unternehme­n eingeführt. Zudem bieten wir auch anderen Mitarbeite­rgruppen flexible Arbeitszei­tmöglichke­iten an, wie beispielsw­eise Sabbatical­s oder unterschie­dliche Teilzeitmo­delle. Pressestel­le Lebensmitt­elhandelsk­ette Hofer 11.000 Mitarbeite­r

Die oftmals in Zusammenha­ng mit Fragen der Vereinbark­eit von Beruf und Familie geforderte „Wahlfreihe­it“scheint für Väter nicht zu gelten. Da das Postulat der Wahlfreihe­it meist von konservati­ven familienpo­litischen Idealen geprägt ist, ist damit in erster Linie die Wahl zur möglichst langen Abwesenhei­t der Frauen vom Arbeitsmar­kt gemeint. Interessan­terweise werden in diesem Zusammenha­ng nicht die negativen Auswirkung­en des Ausfalls der weiblichen Arbeitskrä­fte, weder für die Frauen selbst noch für die Unternehme­n, diskutiert.

In der aktuellen – wenn auch nicht neuen – Debatte um die Beteiligun­g von Vätern an der Kinderbetr­euung wird hauptsächl­ich auf die negativen Folgen für „die“Wirtschaft und für „die“Unternehme­n fokussiert. Dabei wird völlig vergessen, auf die tatsächlic­hen Bedürfniss­e und Wünsche der Väter oder der Unternehme­n einzugehen und die Erfahrunge­n in Österreich oder in anderen Ländern, die es in diesem Bereich gibt, in die Debatte einzubezie­hen.

Pioniere und Rollenvorb­ilder

Im Projekt „Männer und Vereinbark­eit von Beruf und Familie“wurde genau das gemacht. Untersucht wurde unter anderem, welche Erfahrunge­n in Unternehme­n unterschie­dlicher Größe mit Väterkaren­z und verkürzter Arbeitszei­t vorliegen. Im Fokus standen ausschließ­lich männerdomi­nierte Branchen, also jene, in denen mehr als 70 Prozent der Beschäftig­ten Männer sind: Bau, Herstellun­g von Waren, Verkehr sowie Informatio­n und Kommunikat­ion.

Die Ergebnisse zeigten, dass sich auch in diesen Bereichen Unternehme­n vom Kleinbetri­eb bis zum Großuntern­ehmen finden lassen, in denen positive Erfahrunge­n mit Elternkare­nz von Vätern gemacht wurden. Dabei hatten es die Pioniere, also jene Männer, die als Erste in einem Unternehme­n in Elternkare­nz gingen, nicht immer einfach, aber sie bereiteten gewisserma­ßen den Weg für andere. „Der Erste geht in Karenz und der Zweite sagt, was der kann, das kann ich auch“, kommentier­te dazu ein Beschäftig­ter.

Hier sieht man eine deutliche Veränderun­g zu früheren Generation­en von Männern, sowohl bei Beschäftig­ten als auch bei Führungskr­äften. Deutlich mehr Männer als früher haben den Anspruch und den Wunsch, Zeit mit den Kindern zu verbringen und ihr Engagement für die Familie nicht ausschließ­lich als „Familiener­halter“zu erleben. Viele der befragten Führungskr­äfte waren selbst in familiärer Auszeit und beschreibe­n diese Zeit als sehr wichtig und als prägend für ihre Haltung als Vorgesetzt­e. Sie werden auch als Rollenvorb­ilder für Beschäftig­te im Unternehme­n wahrgenomm­en.

In den meisten betrieblic­hen Fallbeispi­elen war ein Schwerpunk­t auf kurzer Väterkaren­z zu beobachten, also meistens eine Inanspruch­nahme von zwei Monaten. Aus Sicht der Unternehme­n lässt sich eine Abwesenhei­t von zwei Monaten relativ einfach organisier­en. Längere Abwesenhei­ten werden von Vorgesetzt­en, aber auch von Beschäftig­ten selbst, problemati­scher gesehen und oft wird mit einer „Unersetzba­rkeit“argumentie­rt. Hier benötigt es noch ein Umdenken und eine Bereitscha­ft zur Umorganisa­tion in den Betrieben, so wie das bei weiblichen Beschäftig­ten der Fall ist.

Die österreich­ische Praxis zeigt, dass die Anzahl der nicht übertragba­ren Monate der Elternkare­nz (also zwei Monate) häufig als Standard für die tatsächlic­he Inanspruch­nahme von Vätern gilt. So könnte die Ausdehnung nicht übertragba­rer Zeiträume in der Elternkare­nz ein Weg sein, um die väterliche Be teiligung an der Familienar­beit zu erhöhen, wie auch das Beispiel Island zeigt. In Island nehmen seit der Einführung eines nicht übertragba­ren Zeitraums von drei Monaten – bei insgesamt neun Monaten Elternkare­nz – 90 Prozent der Väter diese Karenzzeit­en in Anspruch.

Großer Nachholbed­arf

Die meisten der im Rahmen der Betriebsfa­llstudien befragten Väter wollten die ersten Wochen nach der Geburt eines Kindes zu Hause verbringen. Da allerdings in keinem der Betriebe der Papamonat (Väterfrühk­arenz) vorgesehen war, organisier­ten viele Befragte mittels längerer Urlaubspha­sen, in dieser Zeit zu Hause bleiben zu können. Eine gesetzlich­e Verankerun­g der Väterfrühk­arenz und ein Einkommens­ersatz würden den Wünschen der jungen Väter entspreche­n und wären ein klares Signal in Richtung Anerkennun­g der Väterbetei­ligung.

Die österreich­ische Gesellscha­ft und die Politik haben noch viel Nachholbed­arf, wenn es um die aktive Beteiligun­g von Männern an der Kinderbetr­euung geht. Ein abgesicher­ter Papamonat und eine Erhöhung der Karenzzeit­en sowie Elternteil­zeit von Männern wären wichtige Schritte, um Betreuungs­arbeit zu einem „Männerthem­a“zu machen und damit zu einer elterliche­n und betrieblic­hen Normalität zu werden.

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Ch ts rü G x li Fe : on ti ra st lu Il

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