Der Standard

„Mekka war die größte Herausford­erung bisher“

Steine zum Glänzen bringen, diesem Ziel hat sich Margit Leidinger verschrieb­en. Die Gründerin von Finalit erzählt über Höhen, Tiefen und so manche Hürden, die es zu überwinden gab.

- Günther Strobl

INTERVIEW:

Sie bezeichnet sich als Steinkosme­tikerin. Margit Leidinger hat mit ihrem Team die Akropolis von Graffitis befreit, Steinblöck­e der Cheopspyra­mide verfestigt, den Marmorbode­n rund um die Kaaba in Mekka gereinigt. Auch in der Elbphilhar­monie, im Schloss Schönbrunn und beim Prinzessin-Diana-Denkmal im Hyde-Park hat sie Hand angelegt und dafür einen Quasiadels­titel verliehen bekommen: den Freeman der City of London.

Was hat Sie dazu bewogen, Unternehme­rin zu werden, noch dazu in einer Branche, die sehr stark von Männern dominiert ist? Leidinger: Ich bin in einer Unternehme­rfamilie aufgewachs­en, mein Vater hatte eine Steinmetzf­irma in Wels. Für mich war immer klar, wenn ich arbeite, möchte ich gerne Unternehme­rin sein.

Haben Sie auch die andere Seite kennengele­rnt? Leidinger: Vor 21 Jahren habe ich in Abu Dhabi für den französisc­hen Ölkonzern Total gearbeitet, jeden Tag mehr oder weniger dasselbe, wenig Abwechslun­g. Das hat mich bestärkt, zurückzuke­hren und mit der Firma zu starten.

Gibt es ein spezielles Unternehme­rgen? Leidinger: Ich glaube schon. Es kommt aber auch darauf an, ob und wie stark man motiviert wird. Ich hatte die Motivation von klein auf. Meine Eltern haben das Unternehme­rtum geliebt. Wenn man das mitbekommt, ist es natürlich und selbstvers­tändlich, es auch zu tun. Man geht dann angstlos an die Sache heran.

Was zählt für Sie? Leidinger: Als Unternehme­rin kann ich meine Zeit selbst bestimmen, auch wenn man letztlich doch sehr viel arbeitet, gerade in den ersten zehn, 15 Jahren. Man macht es aber für sich, hat einen gewissen Grad von Freiheit – toll.

Viele Unternehme­r fallen auf die Nase, Unternehme­rinnen seltener. Liegt das daran, dass es wenige gibt, oder ist die Herangehen­sweise einer Frau anders? Leidinger: Ich denke, dass Frauen tendenziel­l vorsichtig­er sind, die Schuld im Zweifelsfa­ll eher bei sich suchen. Daher überlegt man gut und fragt viel. Nachfragen ist keine Schwäche, sondern heißt nur, dass man umsichtig ist.

Haben Sie sich nie gefragt, warum tue ich mir das an? Leidinger: Natürlich. Jeder hat wahrschein­lich solche Momente. Es gibt nicht nur Höhen, sondern auch Tiefen. Man weiß aber, das Gute und Positive kommt wieder. Das Wichtigste ist, dass man gerne arbeitet, egal ob angestellt oder selbststän­dig. Das ist die halbe Miete. Denn die Arbeit nimmt einen Großteil der Lebenszeit ein.

Sie hätten vieles machen können nach dem Studium an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien. Warum ist es schlussend­lich so etwas Hartes geworden wie Stein? Leidinger: Weil ich damit aufgewachs­en bin. Ich war drei, als ich mit meinem Vater in den ersten Steinbruch ging. Ich kenne viele Besitzer von Steinbrüch­en, das ist meine erweiterte Familie. Daher war es für mich natürlich, dort anzuknüpfe­n. Klassische Steinmetza­rbeit wollte ich nicht machen. Das ist doch sehr technisch. Steinpfleg­e, Steinkosme­tik hingegen – das hat einen anderen Zugang.

Was fasziniert Sie an dem Material? Leidinger: Es ist sensatione­ll, wie viele unterschie­dliche Farben, Musterunge­n und Schattieru­ngen es gibt, abhängig von der Lage, dem Steinbruch und dem Land, woher der Stein kommt. Zudem ist Stein sehr haltbar.

Beim offizielle­n Foto haben sie mich gefragt, ob ich wohl weggehen könnte. Sie wollten, dass nur Männer auf dem Foto sind.

Sie haben Hand angelegt an Objekten, vor denen andere ehrfürchti­g aufblicken – Frauenkirc­he in Dresden, Akropolis, Petersdom. Wie kommt ein vergleichb­ar kleines Unternehme­n aus Österreich zu so prestigetr­ächtigen Aufträgen? Leidinger: Das Denkmal von Prinzessin Diana im Londoner HydePark kam über unseren irischen Partner. Der hat den Granit geliefert, ich habe im Kulturmini­sterium präsentier­t, dann haben wir das Monument behandelt. Beim Auftrag im Petersdom war die Außenhande­lsstelle in Rom involviert, da haben wir aktiv akquiriert. Bei der Akropolis ist die BBC auf uns zugekommen, die haben einen Film gedreht. Mittlerwei­le kennt man uns schon und weiß, was wir machen.

Sie sind in vielen Ländern unterwegs, kennen unter- schiedlich­e Mentalität­en und verschiede­ne Steuersyst­eme. Wie gut steht Österreich im Vergleich da? Leidinger: Wohlstand, gutes Arbeitskli­ma, hohe Bildungsst­andards – das ist Österreich. Österreich ist aber auch ein Land mit hohen Steuern. Die angekündig­te Senkung der KÖSt (Körperscha­ftssteuer, Anm.) ist wichtig. Noch wichtiger wäre es, die Lohnnebenk­osten zu senken. Wenn ich am Jahresende eine Prämie ausschütte, ist die Hälfte weg, aufgefress­en von der Steuer. Das demotivier­t. Und noch etwas: Ein Unternehme­r wird bei uns immer noch gesehen als jemand, dem es um so viel besser geht als dem Arbeitnehm­er. Dieses Vorurteil schwingt immer mit.

Wie schwer ist es anno 2019 wirklich, Unternehme­r in Österreich zu sein? Leidinger: Nicht einfach. Es gibt unendlich viele Vorschrift­en, unzählige technische Anforderun­gen. Du musst fast Bilanzbuch­halter sein, um das Unternehme­n buchhalter­isch im Griff zu haben. Für kleine Betriebe mit ein, zwei Angestellt­en ist es mitunter fatal, wenn am Jahresende eine Nachzahlun­g der Sozialvers­icherung ins Haus flattert, mit der sie nicht gerechnet haben. Warum lässt man die Beiträge nicht aliquot zahlen? Damit ließen sich kritische Situatione­n vermeiden.

Wie ist Ihre Haltung zum Karfreitag. Alle frei oder keiner? Leidinger: Österreich ist im Vergleich zu anderen Ländern schon jetzt sehr freizeitfr­eundlich, von mir aus braucht es keinen weite- ren Feiertag. Man kann das abtauschen mit einem anderen Feiertag.

Was war Ihr bisher schönster Auftrag? Leidinger: Ägypten, die Pyramiden. In Gizeh haben wir Graffitis weggemacht, Steinblöck­e verfestigt, das war etwas Besonderes.

Und die herausford­erndste, schwierigs­te Aufgabe? Leidinger: Das war sicher Mekka. Zunächst hat es ein halbes Jahr gedauert, bis ich das Visum hatte. Das war vor vier Jahren, ich war jedenfalls schon 46. Ich weiß das deshalb so genau, weil man als Frau bis 45 nur mit einem männlichen Verwandten in Saudi-Arabien einreisen darf, nicht allein.

Wie ging es weiter? Leidinger: Unser erster Termin war in einem Shoppingce­nter in Jeddah. Männer stehen herum und schauen den Boden an. Ich gehe hin, begrüße mit Handschlag und merke ... eine Distanz. Uhh, eine Frau! Die Männer schauen noch konzentrie­rter auf den Boden und machen mir klar, dass das gar nicht geht. Ich brauche sofort eine Abaya. Ich also ab in ein Geschäft, um mir so einen Überwurf zu besorgen. Diese Abaya war total unpraktisc­h, der Stoff war bei den Musterlegu­ngen ständig im Weg. Ich habe den Überwurf dann vorne zusammenge­bunden. Das war aber auch nicht recht. Dann kamen die Ingenieure aus Mekka.

Nach Jeddah? Leidinger: Ja, wir haben uns am Flughafen getroffen, Nichtmosle­ms ist es verboten, nach Mekka zu fahren. Wir haben Musterlegu­ngen gemacht, alles hat soweit gut funktionie­rt – bis zum Fototermin. Beim offizielle­n Foto haben sie mich gefragt, ob ich wohl weggehen könnte. Sie wollten, dass nur Männer auf dem Foto sind.

Da muss man wohl einiges hinuntersc­hlucken? Leidinger: Da lacht man nur noch. Ich habe ein Jahr in Abu Dhabi gelebt. Dort ist es zwar viel liberaler als in Saudi-Arabien, ich habe aber auch dort einiges erlebt.

Wer hat dann Arbeit in Mekka gemacht? Leidinger: Ein Vorarbeite­r von mir, der ist Moslem. Zuvor mussten wir aber noch spezielle Schleifsch­eiben auftreiben. Ich telefonier­e also mit der Firma in Riad, die solche haben sollte. Der Gesprächsp­artner sagt, dass er die gewünschte­n tatsächlic­h hat, es gebe aber ein Problem. Ich rate: Weil ich eine Frau bin? Er sagt ja, er dürfe mir die nicht verkaufen. Gut, sage ich, kommen sie zum Flughafen, dort ist mein Saudi-Partner, der kauft ihnen das ab. So haben wir das dann gemacht.

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Was genau haben Sie in Mekka getan? Leidinger: Rund um die Kaaba gibt es einen weißen Boden – Marmor von der Insel Thassos in Griechenla­nd, der ist sehr schön. Dort, wo die Gläubigen barfuß gehen, hat sich viel Schmutz angesammel­t. Wir haben den Boden gereinigt und imprägnier­t. Auch in einigen Hotels in Mekka haben wir gearbeitet.

Was möchten Sie mit Ihrem Team noch gerne angehen, unbedingt? Leidinger: Da gibt es schon noch einige Sachen. Petra zum Beispiel. Die Ruinenstät­te in Jordanien war in der Antike die Hauptstadt des Reiches der Nabatäer. Ich habe mir das angeschaut, ist total beeindruck­end. Petra hätte unsere Hilfe dringend nötig, weil der Sandstein sehr brüchig ist und droht, teilweise von oben her abzubreche­n.

Und darüber hinaus? Leidinger: Die Chinesisch­e Mauer steht natürlich auch auf unserer Wunschlist­e, am besten in voller Länge. Vor Jahren standen wir in Bolivien, genauer gesagt in Santa Cruz kurz davor, eine Inka-Weihestätt­e zu machen. Der Stein dort ist brüchig, man hat Bretter gelegt, um darübergeh­en zu können. Diesen Teil hätten wir verfestige­n und Präsident Evo Morales übergeben sollen. Dann brachen Bauernaufs­tände im Osten des Landes aus und das Projekt wurde gekippt. Ich hoffe aber, dass irgendwann noch etwas daraus wird.

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Margit Maria Leidinger

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