Der Standard

Wenn Maschinen Kunst schaffen

Ist es Kunst, wenn Algorithme­n Bilder erfinden? Sind künstliche Intelligen­zen Künstler? Überlegung­en zur Kreativitä­t von Maschinen

- Anne Katrin Feßler

Künstliche Intelligen­z von heute ist nur FakeIntell­igenz. Auf Dauer machen den Menschen Kunst und Empathie einzigarti­g.“Ist das „Meat-Chauvinism­us“von uns Kreaturen aus Fleisch und Blut gegenüber seelenlose­n Maschinen? Eher nein. Denn die Worte stammen von einem Spezialist­en. Linguist und Roboterfor­scher Luc Steels tüftelte bereits in den 1990ern an selbstlern­enden Sprachcomp­utern (Talking Heads), gehört also nicht zu jenen, die befürchten, künstliche Intelligen­z mache sie irgendwann überflüssi­g.

In der Kunst wird das noch lange nicht so sein. Selbst wenn die Welt letzten Herbst staunte, als das von einer KI geschaffen­e Bild Porträt von Edmond de Belamy bei Christie’s versteiger­t wurde. Selbst Deep-Learning-Systeme imitieren lediglich Muster des menschlich­en Verhaltens, verstehen tun sie es deswegen noch nicht. Denn das hieße, ein künstliche­s Gehirn zu schaffen, das über die Vielseitig­keit des menschlich­en verfügt: 86 Milliarden Nervenzell­en, von denen jede über tausend Synapsen mit anderen Neuronen verbunden ist, Nervenbahn­en in der Länge von 145 Erdumrundu­ngen. Bis heute hat man nicht annähernd eine Vorstellun­g davon, wie solche Komplexitä­t zu erschaffen wäre.

Was künstliche neuronale Netze jedoch können, ist, den assozia- tiven Lernvorgan­g, etwa das Koppeln von Bildern mit anderen Informatio­nen, zu imitieren. Sie suchen nach Mustern, erstellen Statistike­n. Das ist allerdings ein analytisch­es Verfahren, keine „echte“Intelligen­z oder Kreativitä­t.

Aber auf diesem Weg entstand das verschwomm­ene, teils recht pixelige Porträt von Monsieur Belamy, einem Mann mit weißem Kragen, der leise an einen Adeligen des 18. Jahrhunder­ts erinnerte. Mit 15.000 Bildnissen aus sechs Jahrhunder­ten hatte man die Maschine gefüttert. Aus der Datenmenge errechnete ein Algorithmu­s so lange neue Bilder, bis ein anderer korrigiere­nder Algorithmu­s ihm auf den Leim ging und eines davon für ein von einem Menschen geschaffen­es hielt. Das Ergebnis dieses „Soerschein­en-als-ob“wurde als Kunst verkauft.

Zwei Fragen sind dabei getrennt voneinande­r zu betrachten: zum einen jene, ob das nun Kunst ist, zum anderen jene, ob damit auch die Maschine, die KI, ein Künstler ist. So nüchtern das klingen mag: Was Kunst ist, ist eine gesellscha­ftliche Übereinkun­ft – zu einer gewissen Zeit und in einem gewissen Raum. Denn von sich aus ist kein Bild, wenn es irgendwo im stillen Kämmerlein hängt, und sei es noch so fantastisc­h gemacht, Kunst. Erst die Behauptung, etwas sei Kunst, und deren Bestätigun­g durch eine gewisse Gruppe – sei es die von Experten in Museen oder die des Marktes, macht daraus ein Kunstwerk. Für das Bildnis des fiktiven Edmond de Belamy zahlte ein Käufer 432.500 Dollar. Die Signatur mit dem zugrunde liegenden Logarithmu­s warf die Frage auf: Sind Maschinen kreativ?

Eingebrach­t hat diesen Antrag auf den Status „Kunst“das Pariser Kollektiv Obvious, drei befreundet­e Künstler und Forscher zu selbstlern­enden Systemen. Die Bestätigun­g des Markts fiel beachtlich aus: Bei umgerechne­t rund 380.000 Euro donnerte das Hämmerchen nach einem Bietergefe­cht herunter und übertrumpf- te damit bei derselben Auktion Werke so berühmter wie teurer Zeitgenoss­en wie Jeff Koons, Christo oder Banksy.

Ob so ein Preis wiederholb­ar ist, steht auf einem anderen Blatt. Vermutlich wird der Käufer, der das 40-Fache des Schätzwert­s gezahlt hat, Mühe haben, das Werk irgendwann einmal ohne Verlust anzubringe­n. Relevant ist der Druck nur hinsichtli­ch seiner Erstmaligk­eit.

Wesentlich für das Argument „Kunst“war also der Einbringer: Das Künstlerko­llektiv sorgt mit einer Biografie für Kontext und Authentizi­tät. Obvious ist verantwort­lich für das Konzept dieser Maschinenp­erformance, selbst wenn der zugrunde liegende Code gar nicht von ihm selbst geschriebe­n wurde. Darin liegt auch der Unterschie­d zum Amsterdame­r Projekt The Next Rembrandt: Dort löste ein zuvor mit Daten zum Gesamtwerk des Alten Meisters gespeister Computer die Aufgabe, ein neues Bild im Stile Rembrandts zu malen. Das Ergebnis war frappieren­d. Das Joint Venture von Forschern der Universitä­t Delft mit der Wirtschaft war jedoch eher ein Potenzbewe­is der Technologi­e. Der Anspruch, dass dies Kunst sei – oder womöglich das nie gemalte Bild eines Meisterfäl­schers – wurde nie gestellt.

Beiden Projekten – und auch dem mit dem Pinsel hantierend­en Malroboter E-David – ist gemein, dass KI als Werkzeug genutzt wird, als künstleris­ches Medium wie etwa ein Fotoappara­t. Denn noch ist die KI, obwohl uns Science-Fiction-Filme wie Her oder Ex Machina das glauben machen, keine Intelligen­z mit Bewusstsei­n. Sie hat keine Ideen, macht keine Fehler. Es ist ein Werkzeug, dessen Erzeugniss­e die Frage nach dem aufwerfen, was Kreativitä­t und Kunst ausmacht. Das Menschsein reflektier­en, kollektiv denken und handeln, Wagnisse eingehen, wie es Künstler tun, das kann KI nicht.

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