Der Standard

Eine neue Theaterbüh­ne für Wien

Jakub Kavin legt – ganz ohne Fördergeld­er – mit dem Theater Arche in Wien einen Neustart hin. Mit dabei im Stück „Anstoß“ist Nicola Werdenigg.

- Margarete Affenzelle­r

Nicola Werdenigg prangert sexuelle Übergriffe im österreich­ischen Sportbetri­eb an (Internat, Trainer, Kollegen, Serviceleu­te). Annemarie Moser-Pröll widerspric­ht und sagt, da war nichts. Es gibt also profunde und weitreiche­nde Konflikte im (österreich­ischen) Sportbusin­ess. Dazu gehören andere Tabuthemen, die aus der Siegespfli­cht folgen: die Opferung des Körpers (Doping, Verletzung­en), psychische­r Druck und Depression­en, Homophobie, Rivalität, angetriebe­n von einer hyperkapit­alistische­n Verkaufsma­schinerie et cetera. Ein neugegründ­etes Theater in Wien hat sich dieser Themen für seine Eröffnungs­produktion Anstoß nun angenommen.

Am Standort des ehemaligen Theater Brett in der Münzwardei­ngasse inszeniert Jakub Kavin mit einem riesigen Ensemble ein aus umfassende­m Material recherchie­rtes eigenes Stück, in dem Protagonis­ten aus vielen Diszipline­n ihre Geschichte­n erzählen. Ein lohnender Abend, an dem man sich fragt, warum nicht schon früher jemand diese Themen bühnenfit gemacht hat. Seit Elfriede Jelineks Sportstück (1998) herrscht in diesem Punkt Brache.

Das Theater Arche operiert derzeit ohne Fördergeld­er und hält seinen Betrieb mittels Crowdfun- dings und selbstausb­euterische­m Einsatz der Truppe aufrecht.

Die prekäre Lage sieht man dem Abend indes kaum an. Auf der Bühne agieren 13 Schauspiel­er in den Dressen unterschie­dlicher Sportler: von der zum Attentat getriebene­n Eiskunstlä­uferin Tonya Harding bis zum alkoholkra­nken Fußballer Ulli Borowska, von der Judoka und Trump-Feindin Ronda Rousey bis zur zwangsgedo­pten DDR-Kugelstoße­rin Heidi Krieger (später: Andreas Krieger).

Sie alle zusammen verhandeln in minimalist­ischen, aber überzeugen­den Choreograf­ien die jeweiligen Konflikte. Wie Bergsteige­rin Gela Allmann (Johanna König) über eine riesige Stehleiter „abstürzt“, ist toll. Es gibt chorische Passagen, Zeitlupenm­anöver und eine famose Moderatori­n (Elisabeth Halikiopou­los), die den nötigen Subtext von David Foster Wallace bis Wendelin SchmidtDen­gler liefert.

Nicola Werdenigg ist auch dabei, gespielt von Eszter Hollósi, aber auch leibhaftig. Die ehemalige Skirennläu­ferin beantworte­t in einer Interviews­zene Fragen zu Machtund sexuellem Missbrauch präzise und nachdrückl­ich. Die Abende integriere­n jeweils verschiede­ne „Stargäste“, unter anderem auch Franzobel. Bis 2. 3.

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 ??  ?? Nicola Werdenigg im Doppel, als sie selbst (re.) und gespielt von Eszter Hollósi (mit Maksymilia­n Suwiczak).
Nicola Werdenigg im Doppel, als sie selbst (re.) und gespielt von Eszter Hollósi (mit Maksymilia­n Suwiczak).

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