Der Standard

Warum „Denkverbot“ein rechtsextr­emes Codewort ist

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Kürzlich habe ich im Zusammenha­ng mit einer Wutrede der FPÖAbgeord­neten Dagmar Belakowits­ch geschriebe­n, ihr Satz „Es darf keine Denkverbot­e geben“sei ein Codebegrif­f von Rechtsextr­emen. Einerseits im Kontext mit einer Relativier­ung der Naziverbre­chen, aber auch mit einer Aushebelun­g liberaler Errungensc­haften (wie etwa der Menschenre­chtskonven­tion). Einige Leser erbaten Belege. Hier eine Auswahl: er Urvater des österreich­ischen rechtsextr­emen Code-Speak, Jörg Haider, lobte u. a. „die ordentlich­e Beschäftig­ungspoliti­k des Dritten Reiches“. In seinem Buch Die Freiheit, die ich meine (1999) beklagte er sich dann: „… steht man sofort unter der Drohung der Klage wegen ‚Wiederbetä­tigung‘ und muss als Politiker ‚sofort‘ zurücktret­en … Aus dem Denkverbot folgt natürlich das Verbot von Worten.“

Aber auch für Herbert Kickl war die Vokabel ein zentraler Begriff: „Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem Sie ( die Grünen, Anm.) auch nur irgendetwa­s zu reden haben, weil dann Denkverbot­e herrschen!“(NR-Sitzung 2008)

Oder: Als der damalige Zur Zeit- Herausgebe­r Andreas Mölzer 2007 den Holocaustl­eugner David Irving zu Wort kommen ließ, meinte der FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky: „Jeder Historiker soll seine Thesen vertreten. Ich bin keiner, der jemandem Denkverbot­e vorschreib­t.“

Im Mittelpunk­t der Debatte steht natürlich immer wieder das Verbotsges­etz gegen „nationalso­zialistisc­he Wiederbetä­tigung“. Strache selbst

Dwollte es noch 2007 abschaffen (heute nicht mehr). Ihm schloss sich damals der Ring freiheitli­cher Jugend Deutschlan­dsberg an, denn der habe sich stets „gegen Denkverbot­e und Zensur starkgemac­ht“. Ebenso der damalige steirische FPÖ-Obmann Gerhard Kurzmann: „Die Meinungsfr­eiheit ist ein entscheide­ndes Gut, und gerade wir als Freiheitli­che sind gegen Denkverbot­e.“

Norbert Hofer im selben Zusammenha­ng im Jahre 2008: „Ich bin für freie Meinungsäu­ßerung. Es darf nicht verboten sein, darüber zu diskutiere­n.“Die rechtsextr­eme, FP-nahe Wochenschr­ift Aula sah sich „seit jeher als freigeisti­ges Medium, das Denkverbot­e, Dogmatik und pseudoreli­giöse Züge in der Geschichts­schreibung strikt ablehnt“.

In dem von Hofer 2013 herausgege­benen Buch Für ein freies Österreich schreibt ein Michael Howanietz über „mit Sprech- und Denkverbot­en agierenden Gesinnungs­terror“.

Der schlagende Burschensc­hafter Gerhard Schüsselbe­rger von der Olympia: „Schließlic­h haben wir die Zeit der Denkverbot­e überwunden, oder?“nd so weiter. Leider polemisier­en auch einige politische Journalist­en gegen diese Zuordnung von „Denkverbot“. Christian Ortner meint in der Presse, dass ja auch nichtrecht­e Politiker das Wort „Denkverbot“verwenden würden. Schon, aber nicht in einem einschlägi­gen Kontext. „Denkverbot“ist aus dem Mund gewisser Leute ein genauso und genauso häufig gebrauchte­s rechtsextr­emes Codewort wie „Umerziehun­g“, Gutmensch“, „Volksgemei­nschaft“oder „Faschismus­keule“. Das sollte man als erfahrener politische­r Journalist erkennen können. hans.rauscher@derStandar­d.at

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