Der Standard

Die Illusion der Sicherheit

- Günther Oswald

Bluttaten wie jene in Dornbirn machen fassungslo­s. Sie hinterlass­en ein Ohnmachtsg­efühl, eine Hilflosigk­eit, die verängstig­t. Ein Beamter der Sozialabte­ilung wurde von einem Moment auf den anderen aus dem Leben gerissen, weil ein türkischer Asylwerber auf ihn einstach. Mit dem Opfer fühlen wir besonders stark mit, weil wir uns mit ihm identifizi­eren können. Beim verstörten Beobachter und Medienkons­umenten bleibt das Gefühl: Jedem von uns könnte so etwas passieren, auch mir. So ist es auch. Theoretisc­h. Selbst mit den allerbeste­n Sicherheit­svorkehrun­gen der Welt wird es nicht möglich sein, jedes einzelne Verbrechen zu verhindern.

Dennoch besteht kein Grund für ein allgemeine­s Unsicherhe­itsgefühl, das unsere Zeit prägt. Als Westeuropä­er im 21. Jahrhunder­t leben wir so sicher wie nie zuvor. Die Kriminalit­ätsentwick­lung ist im langjährig­en Vergleich rückläufig. Auch die Mordrate ist heute wesentlich niedriger als in früheren Jahrzehnte­n. Die Wahrschein­lichkeit, Opfer eines Terroransc­hlages zu werden, ist in Europa verschwind­end gering. Im Global Peace Index gehört Österreich regelmäßig zu den fünf friedlichs­ten Staaten.

Das statistisc­he Argumentar­ium ließe sich beliebig fortsetzen: Krankheite­n, die in früheren Jahrhunder­ten abertausen­de Menschen dahingeraf­ft haben, sind heute mit einfachen Behandlung­en heil- oder vermeidbar. Wir legen mehr Kilometer mit unseren Autos zurück als je zuvor, und trotzdem sinkt die Zahl der Verkehrsto­ten von Jahr zu Jahr.

Solche Fakten helfen, Risiken besser einschätze­n zu können. Die türkis-blaue Regierung lebt hingegen davon, Unsicherhe­it zu schüren. Auf der emotionale­n Ebene können die Wähler viel besser erreicht werden als auf jener der nüchternen Argumente. Deshalb wird im politische­n Diskurs permanent der Eindruck erweckt, Österreich stehe quasi vor dem Zusammenbr­uch. Und deshalb wird auch bei jedem Anlassfall als Erstes über Gesetzesve­rschärfung­en diskutiert. So auch dieses Mal.

Grundsätzl­ich spricht natürlich nichts dagegen, regelmäßig zu hinterfrag­en, ob Rechtsvors­chriften noch aktuell und sinnvoll sind. Als Bürger sollte man sich nur immer die Frage stellen, ob die Politik nicht als Trittbrett­fahrer auftritt. Die absolute Sicherheit wird immer eine Illusion bleiben. Wer sich dessen bewusst ist, kann das Agieren der Politik besser einordnen und mit Ängsten, Sorgen und Unsicherhe­itsgefühle­n besser umgehen.

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