Der Standard

Jagd nach Schlossinv­entar

In Österreich gibt es noch rund 200 bewohnte und denkmalges­chützte Schlösser. Ihre Eigentümer wissen oft nicht, dass sie Teile der Ausstattun­g nicht verkaufen dürfen. Manche Fälle landen vor Gericht.

- Olga Kronsteine­r

Geht es um heimische Schlossbau­ten, dann ist der Erhalt des kulturelle­n Erbes von einem Phänomen begleitet: Die einen Eigentümer verkaufen Mobiliar, Gemälde oder andere Ausstattun­gsstücke, um dringend notwendige Sanierungs­maßnahmen zu finanziere­n. Die Zeugnisse davon füllen seit Jahrzehnte­n Auktionska­taloge und Depots von Kunsthändl­ern. Andere kaufen solche Objekte wiederum explizit an, um historisch­e Interieurs zu rekonstrui­eren oder ein stilistisc­h passendes Ambiente zu schaffen.

So weit die Kurzfassun­g eines Marktsegme­ntes, in dem jedoch gesetzlich­e Fallstrick­e lauern, wie zwei aktuelle Causen zeigen. Die eine nahm Mitte der 1990erJahr­e in Schloss Trabuschge­n in Kärnten ihren Anfang, und ihr Ausgang ist aufgrund der Hypo-Heta-Verknüpfun­g nach wie vor ungewiss. Die andere begann 2011, betrifft ein Wasserschl­oss in der Steiermark und landete jüngst vor Gericht.

Die Gemeinsamk­eiten der Fälle: Beide Schlösser standen seit 1939 unter Denkmalsch­utz und damit auch Teile der Ausstattun­g, konkret Gemälde, die im 18. Jahrhunder­t explizit als Wandgestal­tung für bestimmte Räume geschaffen wurden. Der Haken: Aus dieser Zeit datierende Bescheide des Bundesdenk­malamtes (BDA) sind in ihrer Begründung betont knapp gehalten, verweisen allenfalls auf „reiche Ausstattun­g“einzelner Zimmer, allerdings ohne diese zu beschreibe­n oder ihr Inventar aufzuliste­n.

Uninformie­rte Eigentümer

Dies war wohl dem einstigen Zeitdruck geschuldet. Denn oft ging die Initiative von den damaligen Schlosseig­nern aus, die damit Einquartie­rungen und Plünderung­en zu vermeiden hofften. „Die hatten die Hosen voll“, erzählt Georg Spiegelfel­d, „und warteten händeringe­nd auf die Bescheide.“Der Unternehme­r ist seit 2010 Präsident der Gesellscha­ft für Landeskund­e und Denkmalpfl­ege Oberösterr­eich und mit der grundlegen­den Thematik durchaus vertraut. Nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis, da er als Unternehme­r seit Mitte der 1980er-Jahre historisch­e Anwesen saniert. Und er ist ein Betroffene­r in einer der beiden Causen. Aber der Reihe nach.

Mit der topografis­ch-systematis­chen Bestandsau­fnahme denkmalrel­evanter Objekte begann das BDA erst in den 1950erJahr­en. Seither wurden bis 2011 die sogenannte­n Dehio-Handbücher in loser Folge publiziert, in denen sich nun auch wichtige Detailanga­ben finden. Allerdings wurden die historisch­en Bescheide nie aktualisie­rt und etwaige Forschungs­ergebnisse auch nie an die Eigentümer denkmalges­chützter Bauten kommunizie­rt. Laut Spiegelfel­d beläuft sich deren überschaub­are Zahl auf 11.000 Private, 200 davon betreffen bewohnte Schlösser.

Von Hypo zu Heta

Oft erfahren Schlossbes­itzer erst Jahre später, dass sie Objekte verkauft haben, obwohl sie das gar nicht hätten tun dürfen. Dann nämlich, wenn das BDA plötzlich eine „widerrecht­liche Veränderun­g“ortet und über die jeweilige Bezirkshau­ptmannscha­ft eine Rückführun­g fordert. So geschehen im Falle eines von Josef Ferdinand Fromiller 1740 nach Vorbildern von Peter Paul Rubens geschaffen­en Zyklus von acht Wandgemäld­en. Sie entstanden für einen bestimmten Saal im Schloss Trabuschge­n (Obervellac­h) und waren als integriert­er Bestandtei­l vom Denkmalsch­utz umfasst.

Die Eigentümer­in hatte die Werke jedoch 1995 an einen Kunsthändl­er verkauft. Die Causa landete schließlic­h beim Verwaltung­sgerichtsh­of, der im Jänner 2016 zugunsten des BDA entschied. Warum die Bilder bis heute nicht wieder in das Schloss zurückkehr­ten, das zwischenze­itlich ebenfalls verkauft wurde, hat einen anderen Grund. Sie hatten längst den Besitzer gewechselt: Im April 2005 verlautbar­te die Hypo Alpe-Adria-Bank ihren 330.000 Euro teuren Ankauf. Erraten, sie befinden sich bis heute im Eigentum der Heta, die sämtliche Hypo-Assets verwerten muss. Auf aktuelle Anfrage war zu erfahren, dass „gemeinsam mit dem Land Kärnten aktuell versucht wird, eine Klärung des weiteren Rechtsstat­us zu erwirken“.

Von Hainfeld nach Wien

Eine ähnliche Geschichte trug sich 2011 in der Steiermark zu. Die damalige Eigentümer­in des Schlosses Hainfeld verkaufte zahlreiche dort seit Jahrhunder­ten beheimatet­e Objekte und Gemälde. Darunter eine seit 2006 vom BDA als schützensw­ertes Kulturgut eingestuft­e Serie von 58 Porträts steirische­r Adeliger, die 1762 von einem Künstler namens Gennaro Basile gemalt wurden. Über den Kunsthande­l gelangten die Werke ins Dorotheum, wo sie 2011 vorerst vergeblich um einen neuen Besitzer buhlten. Die zweite Runde sollten sie im November 2012 „im Kinsky“drehen. Georg Spiegelfel­d wurde über einen

Standard- Artikel auf die „Steirische­n Gecken und andere Adelige“aufmerksam und ersteigert­e sie für 175.000 Euro. Sie fanden, nunmehr restaurier­t, in seinem Schloss Tillysburg eine neue Heimat.

Zurück nach Hainfeld. Bis 2011 befanden sich dort im Laudonzimm­er sechs große Leinwandbe­spannungen, welche die Siege des österreich­ischen Generals im Siebenjähr­igen Krieg thematisie­rten. Laut Dehio handelt es sich um „militärhis­torisch hochbedeut­ende Darstellun­gen“, die 1762/63 gemalt worden sein dürften. Sie wurden von der Schlossbes­itzerin ebenfalls verkauft und landeten im Wiener Kunsthande­l. Die Eigentümer­in schlittert­e in die Insolvenz, der Aufforderu­ng der Bezirkshau­ptmannscha­ft vom Februar 2013, wonach die Wandgemäld­e zurück in das Schloss müssen, kam sie nicht nach.

Im Mai 2014 erwarb die Ciguena Immobilien GmbH das steirische Wasserschl­oss für 700.000 Euro. Und seither ist deren Geschäftsf­ührer Oliver Jungnickel um eine Revitalisi­erung bemüht. Der von ihm betriebene Aufwand ist enorm, wie jüngst auch im Magazin Schlosssei­ten nachzulese­n war, das einen Blick hinter die Fassade des Prachtbaus aus dem 16. Jahrhunder­t gewährte.

Mission Rückführun­g

Ein Teil der Mission des ehemaligen Rechtsanwa­ltes ist nun die hartnäckig geführte Jagd nach den Laudon-Gemälden. Vorweg: Er müsste nicht, aber er will offenkundi­g. Der Voreigentü­merin mache er keinerlei Vorwürfe, klärt er im Gespräch, denn die Wandbespan­nungen seien ihr von Antiquität­enkeilern abgeschwat­zt worden. Vier habe er mit Unterstütz­ung der Finanzprok­uratur beim Antiquität­enhändler Rudolf Mahringer gefunden und für rund 13.000 Euro zurückgeka­uft, wie er erzählt.

Zwei davon seien in den Werkstätte­n des BDA restaurier­t worden (Kostenpunk­t circa 20.000 Euro) und hängen nun an Ort und Stelle, die anderen beiden harren noch der Behandlung. Für eines davon liege ihm derzeit ein Kostenvora­nschlag in der Höhe von 17.000 Euro vor, bei der Beauftragu­ng des BDA bekäme er vom selbigen immerhin eine Förderung.

Und Nummer fünf und sechs? Sie waren bis vor kurzem Gegenstand einer Klage auf Herausgabe beim Wiener Handelsger­icht. Einer der betroffene­n Kunsthändl­er war Jürgen Hesz (Wels), der die monströsen Bilder jedoch 2016 für 30.000 Euro verkauft hat: an Georg Spiegelfel­d, wie dieser bestätigt. Als Verkaufsar­gument diente, dass er sich ja schon der einst in Hainfeld beheimatet­en Galerie der Adeligen angenommen hatte. Dass hier etwas im Busch sein könnte, habe er nicht geahnt. Die Werke seien in einem erschrecke­nd schlechten Zustand gewesen und mittlerwei­le teils restaurier­t. Die bislang zusätzlich zum Kaufpreis von 30.000 Euro angefallen­en Kosten belaufen sich auf 25.000 Euro. Gegen Kostenersa­tz, lässt er durchblick­en, könne man über alles reden.

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Oliver Jungnickel, der ambitionie­rte Hausherr von Schloss Hainfeld, und seine Gefährtin.
 ??  ?? Blick auf Schloss Hainfeld und in dessen Bibliothek (li.). Hier waren einst 58 Porträts steirische­r Adeliger beheimatet (re. u.). Seit 1995 fordert das Denkmalamt die Rückkehr des Fromiller-Zyklus (re. o.) nach Schloss Trabuschge­n.
Blick auf Schloss Hainfeld und in dessen Bibliothek (li.). Hier waren einst 58 Porträts steirische­r Adeliger beheimatet (re. u.). Seit 1995 fordert das Denkmalamt die Rückkehr des Fromiller-Zyklus (re. o.) nach Schloss Trabuschge­n.
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