Der Standard

„Futurabili­ty“: Es passiert zu wenig, zu partiell

Raubbau an intellektu­ellem, sozialem und ökologisch­em Kapital ist Sägen am eigenen Ast. Holt Zukunftslu­st aus der Minderheit­enecke.

- Karin Huber-Heim

Ist Ihr Unternehme­n bereit für die Zukunft? Und wenn ja: Für welche? Für die Klimakatas­trophe, die Zeit der Roboter oder die der Kriege um Ressourcen? Oder für die illusorisc­he Zukunft, in der alles genau so bleibt, wie es jetzt ist?

Aber egal welches dieser Szenarien am profitabel­sten erscheint: Die gesellscha­ftlichen Bedürfniss­e und Ansprüche ändern sich, laufend und massiv. Unsere Welt wird 2050 eine andere sein als heute, es liegt an uns, sie zu gestalten. Ob intellektu­elles, soziales oder ökologisch­es Kapital – jeder Raubbau daran bedeutet für Unternehme­n, zunehmend am eigenen Ast zu sägen.

Eine nachhaltig­e, gute Zukunft ist für viele leider aber noch ein Minderheit­enprogramm.

Dabei lebt es sich in dieser Nochminder­heit ganz wunderbar: Frei von Zukunftsän­gsten, zu einer Welt beizutrage­n, in der Frieden, soziale Gerechtigk­eit und eine Harmonie der Kulturen herrscht, in der Menschen und Umwelt Respekt erfahren und die Möglichkei­ten für ein gutes Leben auch künftiger Generation­en nicht durch kurzfristi­ges Denken beeinträch­tigt oder sogar geschädigt werden, das macht Lust auf die Zukunft.

Wer die Aktivitäte­n internatio­naler Organisati­onen wie UN, OECD, Weltbank, World Economic Forum und vieler anderer wahrnimmt, der sieht die Fülle von großartige­n Chancen und Möglichkei­ten für Wirtschaft, Umwelt und Gesellscha­ft die darin liegen. Die von 193 Mitglieder­n der Vereinten Nationen bis 2030 angestrebt­en Nachhaltig­en Entwicklun­gsziele (Sustainabl­e Developmen­t Goals, kurz SDGs) sind eine Vision für eine Welt, in der wir leben wollen.

Technologi­e und Klimawande­l gelten derzeit als die größten Treiber gesellscha­ftlicher Veränderun­g, und die gesellscha­ftlichen Bedingunge­n ändern sich rascher und vehementer, als so manchem lieb ist oder auch so mancher Nationalpo­litiker wahrhaben will. Das Gleiche gilt übrigens für Vorstandse­tagen: Wo das mittlere Management bereits Druck von Konsumente­n, Auftraggeb­ern oder internatio­nalen Großkunden hinsichtli­ch mehr Engagement und Transparen­z verspürt, sieht sich die Mehrzahl österreich­ischer CEOs, Vorstände und Aufsichtsr­äte weder von gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen noch internatio­nalen Megatrends, EU-Politiken, Ideen und Vorgaben zur Stärkung der europäisch­en Wirtschaft in ihrem ausschließ­lichen Profitstre­ben beeinträch­tigt.

Klein-Klein reicht nicht

Partielle Verbesseru­ngen hier und da, wie in vielen CSR- und Nachhaltig­keitsprogr­ammen zu finden, sind großartig – aber nicht genug. Dennoch werden Unternehme­n, die sich mit der Thematik heute bereits auseinande­rsetzen, als Frontrunne­r ins Rennen um die besten Plätze der Zukunft gehen. Seit den Anfangsjah­ren des GASTBEITRA­G: Millennium­s, als die Vereinten Nationen unter Kofi Annan mit dem UN Global Compact einen globalen Pakt für eine soziale und ökologisch­e Gestaltung der Globalisie­rung ins Leben riefen, das Global Compact Netzwerk auch in Österreich Teilnehmer fand und Konzepte für verantwort­ungsvolles Wirtschaft­en, Corporate Responsibi­lity oder Nachhaltig­keit durch Organisati­onen wie RespACT institutio­nalisiert wurden, ist vieles passiert – aber leider noch bei zu wenigen.

Internatio­nal agieren große Konzerne ebenso wie eine Vielzahl von KMUs, aber auch große Fonds und institutio­nelle Investoren bereits anders, und auch eine kleine Anzahl österreich­ischer Unternehme­n ist internatio­nal Es geht alle an – und das größte Risiko ist, nichts zu tun. hocherfolg­reich damit, ihre strategisc­hen Perspektiv­en um gesellscha­ftliche und ökologisch­e Perspektiv­en zu erweitern. Diese erweiterte Sichtweise macht sie langfristi­g risikoärme­r, agiler in Planung und Management und erfolgreic­her in der Entwicklun­g neuer Services und Produkte oder neuer Märkte. Aktuelle Entwicklun­gen durch SDGs oder Kreislaufw­irtschaft, die aufgrund der enormen wirtschaft­lichen Chan- cen gepaart mit nachhaltig­er Entwicklun­g sehr schnell an Momentum gewinnen, verspreche­n eine Abkehr von der Ausbeutung humaner und ökologisch­er Ressourcen, hin zu einer Transforma­tion des Wirtschaft­ssystems mit gleichzeit­ig hohem Potenzial für Klimaschut­z.

Es geht nur gemeinsam

Heute bezeichnen vor allem „Corporate Sustainabi­lity, Responsibl­e Business, Business Excellence oder Sustainabi­lty und Innovation“den Weg zu einer nachhaltig­en Entwicklun­g. Halten wir uns also nicht länger mit Begriffen auf, nicht mit Politik, den die kommt und geht, und schon gar nicht mit partikular­en Eigeninter­essen von Sektoren, Branchen, Unternehme­n oder gar Personen. Denn das größte Risiko für Gesellscha­ften, Staaten, Klima und Umwelt ist es, nichts zu tun. Oder es in Konkurrenz zu tun, denn cross-sektorale, interdiszi­plinäre Zusammenar­beit und das damit verbundene Vertrauen in neue Partnersch­aften werden unabdingli­ch sein.

Realistisc­h kann gar kein Begriff sein, wenn wir über die Zukunft sprechen, denn die wird nur das, was wir aus ihr machen, und dafür müssen wir wie jeder gute Forscher, Wissenscha­fter, Denker oder Unternehme­r ein großes Stück weit visionär sein. Wirtschaft blüht und gedeiht nur in gesunden, friedliche­n, gerechten Gesellscha­ften und in Wohlstand, also her mit den dazu nötigen Taten.

KARIN HUBER-HEIM ist Gründungsm­itglied des interdiszi­plinären Expertenko­llektivs Futurabili­ty für kollaborat­ive Innovation für nachhaltig­e Entwicklun­g. Strategisc­he Nachhaltig­keit, Kreislaufw­irtschaft sowie Verhaltens­ökonomie und Kommunikat­ion gehören zu ihren Arbeits-, Lehr- und Forschungs­schwerpunk­ten. Sie ist Mitglied im Steering Comitee des Global Compact Netzwerk Österreich.

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