„Futurability“: Es passiert zu wenig, zu partiell
Raubbau an intellektuellem, sozialem und ökologischem Kapital ist Sägen am eigenen Ast. Holt Zukunftslust aus der Minderheitenecke.
Ist Ihr Unternehmen bereit für die Zukunft? Und wenn ja: Für welche? Für die Klimakatastrophe, die Zeit der Roboter oder die der Kriege um Ressourcen? Oder für die illusorische Zukunft, in der alles genau so bleibt, wie es jetzt ist?
Aber egal welches dieser Szenarien am profitabelsten erscheint: Die gesellschaftlichen Bedürfnisse und Ansprüche ändern sich, laufend und massiv. Unsere Welt wird 2050 eine andere sein als heute, es liegt an uns, sie zu gestalten. Ob intellektuelles, soziales oder ökologisches Kapital – jeder Raubbau daran bedeutet für Unternehmen, zunehmend am eigenen Ast zu sägen.
Eine nachhaltige, gute Zukunft ist für viele leider aber noch ein Minderheitenprogramm.
Dabei lebt es sich in dieser Nochminderheit ganz wunderbar: Frei von Zukunftsängsten, zu einer Welt beizutragen, in der Frieden, soziale Gerechtigkeit und eine Harmonie der Kulturen herrscht, in der Menschen und Umwelt Respekt erfahren und die Möglichkeiten für ein gutes Leben auch künftiger Generationen nicht durch kurzfristiges Denken beeinträchtigt oder sogar geschädigt werden, das macht Lust auf die Zukunft.
Wer die Aktivitäten internationaler Organisationen wie UN, OECD, Weltbank, World Economic Forum und vieler anderer wahrnimmt, der sieht die Fülle von großartigen Chancen und Möglichkeiten für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft die darin liegen. Die von 193 Mitgliedern der Vereinten Nationen bis 2030 angestrebten Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) sind eine Vision für eine Welt, in der wir leben wollen.
Technologie und Klimawandel gelten derzeit als die größten Treiber gesellschaftlicher Veränderung, und die gesellschaftlichen Bedingungen ändern sich rascher und vehementer, als so manchem lieb ist oder auch so mancher Nationalpolitiker wahrhaben will. Das Gleiche gilt übrigens für Vorstandsetagen: Wo das mittlere Management bereits Druck von Konsumenten, Auftraggebern oder internationalen Großkunden hinsichtlich mehr Engagement und Transparenz verspürt, sieht sich die Mehrzahl österreichischer CEOs, Vorstände und Aufsichtsräte weder von gesellschaftlichen Entwicklungen noch internationalen Megatrends, EU-Politiken, Ideen und Vorgaben zur Stärkung der europäischen Wirtschaft in ihrem ausschließlichen Profitstreben beeinträchtigt.
Klein-Klein reicht nicht
Partielle Verbesserungen hier und da, wie in vielen CSR- und Nachhaltigkeitsprogrammen zu finden, sind großartig – aber nicht genug. Dennoch werden Unternehmen, die sich mit der Thematik heute bereits auseinandersetzen, als Frontrunner ins Rennen um die besten Plätze der Zukunft gehen. Seit den Anfangsjahren des GASTBEITRAG: Millenniums, als die Vereinten Nationen unter Kofi Annan mit dem UN Global Compact einen globalen Pakt für eine soziale und ökologische Gestaltung der Globalisierung ins Leben riefen, das Global Compact Netzwerk auch in Österreich Teilnehmer fand und Konzepte für verantwortungsvolles Wirtschaften, Corporate Responsibility oder Nachhaltigkeit durch Organisationen wie RespACT institutionalisiert wurden, ist vieles passiert – aber leider noch bei zu wenigen.
International agieren große Konzerne ebenso wie eine Vielzahl von KMUs, aber auch große Fonds und institutionelle Investoren bereits anders, und auch eine kleine Anzahl österreichischer Unternehmen ist international Es geht alle an – und das größte Risiko ist, nichts zu tun. hocherfolgreich damit, ihre strategischen Perspektiven um gesellschaftliche und ökologische Perspektiven zu erweitern. Diese erweiterte Sichtweise macht sie langfristig risikoärmer, agiler in Planung und Management und erfolgreicher in der Entwicklung neuer Services und Produkte oder neuer Märkte. Aktuelle Entwicklungen durch SDGs oder Kreislaufwirtschaft, die aufgrund der enormen wirtschaftlichen Chan- cen gepaart mit nachhaltiger Entwicklung sehr schnell an Momentum gewinnen, versprechen eine Abkehr von der Ausbeutung humaner und ökologischer Ressourcen, hin zu einer Transformation des Wirtschaftssystems mit gleichzeitig hohem Potenzial für Klimaschutz.
Es geht nur gemeinsam
Heute bezeichnen vor allem „Corporate Sustainability, Responsible Business, Business Excellence oder Sustainabilty und Innovation“den Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung. Halten wir uns also nicht länger mit Begriffen auf, nicht mit Politik, den die kommt und geht, und schon gar nicht mit partikularen Eigeninteressen von Sektoren, Branchen, Unternehmen oder gar Personen. Denn das größte Risiko für Gesellschaften, Staaten, Klima und Umwelt ist es, nichts zu tun. Oder es in Konkurrenz zu tun, denn cross-sektorale, interdisziplinäre Zusammenarbeit und das damit verbundene Vertrauen in neue Partnerschaften werden unabdinglich sein.
Realistisch kann gar kein Begriff sein, wenn wir über die Zukunft sprechen, denn die wird nur das, was wir aus ihr machen, und dafür müssen wir wie jeder gute Forscher, Wissenschafter, Denker oder Unternehmer ein großes Stück weit visionär sein. Wirtschaft blüht und gedeiht nur in gesunden, friedlichen, gerechten Gesellschaften und in Wohlstand, also her mit den dazu nötigen Taten.
KARIN HUBER-HEIM ist Gründungsmitglied des interdisziplinären Expertenkollektivs Futurability für kollaborative Innovation für nachhaltige Entwicklung. Strategische Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft sowie Verhaltensökonomie und Kommunikation gehören zu ihren Arbeits-, Lehr- und Forschungsschwerpunkten. Sie ist Mitglied im Steering Comitee des Global Compact Netzwerk Österreich.