Jung, motiviert – und nur auf sich gestellt?
Von Führungskräften gern ignoriert: Jung und Alt in der Firma. Warum Altersdiversität für alle Generationen und für die Bilanz gesund ist.
Wenn wir heute manche Gespräche mit Freunden und Arbeitskollegen Revue passieren lassen, zieht sich besonders ein Thema durchgängig durch die Finanzbranche: der permanente Change-Prozess mit dem damit verbundenen Personalabbau. Erfahrungsgemäß sind von der „Optimierung der Altersstruktur“meist sogenannte Ältere betroffen. Da bei den diversen Vergütungsschemata zumeist noch immer das Senioritätsprinzip, das Alter anstelle von Leistung honoriert, angewandt wird, ist die Hebelwirkung in der Altersgruppe 50+ natürlich am größten und das Ergebnis noch dazu im nächsten Quartal Gewinn-und-VerlustRechnungs-wirksam abgebildet und im Aufsichtsrat präsentierbar.
Die Konsequenzen finden sich allerdings nicht nur in einer optimierten Altersstruktur und in reduzierten Personalkosten wieder, sondern stellen auch ein sozialpolitisches Phänomen dar: Einen besonders hohen Anteil an Personen im Burnout-Erkrankungsstadium stellen Menschen in der Gruppe der unter 30-Jährigen dar, ebenso wie 50- bis 59-Jährige. Also genau jene Gruppen, die in den Optimierungsprozessen die Hauptrolle spielen.
Jung, eine solide Ausbildung, hohe Motivation und Energie – die besten Voraussetzungen für eine steile Karriere. Am anderen Ende der Altersskala Frustration und Perspektivlosigkeit. Ein Cocktail, der dem Erfolg eines Unternehmens nicht gerade zuträglich ist, und gleichzeitig ein Phänomen, das von vielen Führungskräften erfolgreich und konsequent ignoriert wird.
Motiviert und allein
Junge Menschen durchlaufen beim Eintritt in die Karriere zumeist firmeninterne Ausbildungsund Traineeprogramme. Hochmotiviert wollen sie dann in der neuen Position Karriere machen. Entsprechend hoch sind die Ziele, noch höher die Anforderungen an sich selbst. Auf dem Weg zur Zielerreichung werden sie dann meist allein gelassen. Es ist niemand in Sicht, der coachend und unterstützend zur Seite stehen kann und von dessen langjährigem Erfahrungsschatz und Know-how die aufstrebende Generation profitieren könnte. Die erforderlichen Werkzeuge und Skills kann man sich im Laufe einer Ausbildung aneignen. Die kleinen Tricks, Abkürzungen und Erfahrungswerte, die auf dem Weg zum Ziel besonders hilfreich sind, erlernt man allerdings erst mit der Zeit. Oder von älteren und erfahrenen Kollegen und Kolleginnen.
Alter ist eine Dimension, die in Jahren gemessen wird und, wie erwähnt, ihren Niederschlag in Vergütungssystemen findet. Das in diesen Jahren erworbene (Fach-) Wissen, die Erfahrung, die Netzwerke etc. werden dabei nicht berücksichtigt. Dabei wäre genau das als Unterstützung für die nachrückende Generation ein zentraler Schlüsselfaktor für den Erfolg, der allerdings in den meisten Unternehmen nicht genützt wird.
Es geht also nicht um Entwederoder, sondern um Sowohl-alsauch. Nämlich genau darum, wie erfolgreich es sein kann, wenn verschiedene Generationen in einem Team kooperieren, voneinander lernen, unterschiedliche Perspektiven kennenlernen und wechselseitig von „generationsspezifischen“Kenntnissen profitieren können.
Das gehört zusammen
Was nützen einem „Digital Native“einschlägige Kenntnisse, mit denen man in Sekunden ein internationales Meeting mit Videokonferenz in verschiedenen Zeitzonen aufsetzen kann, wenn er nicht weiß, an welche Entscheidungsträger im Unternehmen er sich mit einer neuen Idee wenden und wie er die Präsentation gestalten soll, damit das gewünschte Ergebnis eintritt?
Ohne das bewusste und gezielte Aufbrechen bestehender, veralteter Strukturen, wie zum Beispiel von Vergütungssystemen, wird kein Wandel stattfinden können. Dazu gehören auch ein entsprechendes Mindset im Unternehmen und das Beseitigen von Vorurteilen. Nur so kann ein Respekt der Generationen füreinander herbeigeführt und eine entsprechende Unternehmenskultur zum Vorteil aller Beteiligten entwickelt werden. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht per Gesetz oder Betriebsvereinbarung umgesetzt werden kann. Vielmehr bedarf es eines „Vorlebens“durch die Führungskräfte, die sich hier ihrer Vorbildwirkung besonders bewusst werden müssen.
Am langen Ende werden derartige Maßnahmen zu mehr Zufriedenheit und weniger Frustration führen und der Performance jedes Unternehmens dienlich sein. Junge fühlen sich nicht mehr allein gelassen und Ältere nicht mehr als Kostentreiber in der Bilanz.
GERNOT KREIGER verfügt über 30 Jahre Bankerfahrung im Vertrieb in leitenden Positionen in mehreren österreichischen Banken. Internationale Lehraufträge in Europa, Asien und Afrika. Seit 2018 Leiter der „Banking and Finance“Studiengänge an der University of Applied Sciences BFI Vienna, Hochschule für Wirtschaft, Management und Finance.