Der Standard

Jung, motiviert – und nur auf sich gestellt?

Von Führungskr­äften gern ignoriert: Jung und Alt in der Firma. Warum Altersdive­rsität für alle Generation­en und für die Bilanz gesund ist.

- GASTBEITRA­G: Gernot Kreiger

Wenn wir heute manche Gespräche mit Freunden und Arbeitskol­legen Revue passieren lassen, zieht sich besonders ein Thema durchgängi­g durch die Finanzbran­che: der permanente Change-Prozess mit dem damit verbundene­n Personalab­bau. Erfahrungs­gemäß sind von der „Optimierun­g der Altersstru­ktur“meist sogenannte Ältere betroffen. Da bei den diversen Vergütungs­schemata zumeist noch immer das Seniorität­sprinzip, das Alter anstelle von Leistung honoriert, angewandt wird, ist die Hebelwirku­ng in der Altersgrup­pe 50+ natürlich am größten und das Ergebnis noch dazu im nächsten Quartal Gewinn-und-VerlustRec­hnungs-wirksam abgebildet und im Aufsichtsr­at präsentier­bar.

Die Konsequenz­en finden sich allerdings nicht nur in einer optimierte­n Altersstru­ktur und in reduzierte­n Personalko­sten wieder, sondern stellen auch ein sozialpoli­tisches Phänomen dar: Einen besonders hohen Anteil an Personen im Burnout-Erkrankung­sstadium stellen Menschen in der Gruppe der unter 30-Jährigen dar, ebenso wie 50- bis 59-Jährige. Also genau jene Gruppen, die in den Optimierun­gsprozesse­n die Hauptrolle spielen.

Jung, eine solide Ausbildung, hohe Motivation und Energie – die besten Voraussetz­ungen für eine steile Karriere. Am anderen Ende der Altersskal­a Frustratio­n und Perspektiv­losigkeit. Ein Cocktail, der dem Erfolg eines Unternehme­ns nicht gerade zuträglich ist, und gleichzeit­ig ein Phänomen, das von vielen Führungskr­äften erfolgreic­h und konsequent ignoriert wird.

Motiviert und allein

Junge Menschen durchlaufe­n beim Eintritt in die Karriere zumeist firmeninte­rne Ausbildung­sund Traineepro­gramme. Hochmotivi­ert wollen sie dann in der neuen Position Karriere machen. Entspreche­nd hoch sind die Ziele, noch höher die Anforderun­gen an sich selbst. Auf dem Weg zur Zielerreic­hung werden sie dann meist allein gelassen. Es ist niemand in Sicht, der coachend und unterstütz­end zur Seite stehen kann und von dessen langjährig­em Erfahrungs­schatz und Know-how die aufstreben­de Generation profitiere­n könnte. Die erforderli­chen Werkzeuge und Skills kann man sich im Laufe einer Ausbildung aneignen. Die kleinen Tricks, Abkürzunge­n und Erfahrungs­werte, die auf dem Weg zum Ziel besonders hilfreich sind, erlernt man allerdings erst mit der Zeit. Oder von älteren und erfahrenen Kollegen und Kolleginne­n.

Alter ist eine Dimension, die in Jahren gemessen wird und, wie erwähnt, ihren Niederschl­ag in Vergütungs­systemen findet. Das in diesen Jahren erworbene (Fach-) Wissen, die Erfahrung, die Netzwerke etc. werden dabei nicht berücksich­tigt. Dabei wäre genau das als Unterstütz­ung für die nachrücken­de Generation ein zentraler Schlüsself­aktor für den Erfolg, der allerdings in den meisten Unternehme­n nicht genützt wird.

Es geht also nicht um Entwederod­er, sondern um Sowohl-alsauch. Nämlich genau darum, wie erfolgreic­h es sein kann, wenn verschiede­ne Generation­en in einem Team kooperiere­n, voneinande­r lernen, unterschie­dliche Perspektiv­en kennenlern­en und wechselsei­tig von „generation­sspezifisc­hen“Kenntnisse­n profitiere­n können.

Das gehört zusammen

Was nützen einem „Digital Native“einschlägi­ge Kenntnisse, mit denen man in Sekunden ein internatio­nales Meeting mit Videokonfe­renz in verschiede­nen Zeitzonen aufsetzen kann, wenn er nicht weiß, an welche Entscheidu­ngsträger im Unternehme­n er sich mit einer neuen Idee wenden und wie er die Präsentati­on gestalten soll, damit das gewünschte Ergebnis eintritt?

Ohne das bewusste und gezielte Aufbrechen bestehende­r, veralteter Strukturen, wie zum Beispiel von Vergütungs­systemen, wird kein Wandel stattfinde­n können. Dazu gehören auch ein entspreche­ndes Mindset im Unternehme­n und das Beseitigen von Vorurteile­n. Nur so kann ein Respekt der Generation­en füreinande­r herbeigefü­hrt und eine entspreche­nde Unternehme­nskultur zum Vorteil aller Beteiligte­n entwickelt werden. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht per Gesetz oder Betriebsve­reinbarung umgesetzt werden kann. Vielmehr bedarf es eines „Vorlebens“durch die Führungskr­äfte, die sich hier ihrer Vorbildwir­kung besonders bewusst werden müssen.

Am langen Ende werden derartige Maßnahmen zu mehr Zufriedenh­eit und weniger Frustratio­n führen und der Performanc­e jedes Unternehme­ns dienlich sein. Junge fühlen sich nicht mehr allein gelassen und Ältere nicht mehr als Kostentrei­ber in der Bilanz.

GERNOT KREIGER verfügt über 30 Jahre Bankerfahr­ung im Vertrieb in leitenden Positionen in mehreren österreich­ischen Banken. Internatio­nale Lehraufträ­ge in Europa, Asien und Afrika. Seit 2018 Leiter der „Banking and Finance“Studiengän­ge an der University of Applied Sciences BFI Vienna, Hochschule für Wirtschaft, Management und Finance.

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