Der Standard

Wahlbeteil­igung bei Arbeiterka­mmerwahl bisher extrem niedrig

Das Interesse an der Arbeiterka­mmerwahl ist bisher gering. Politologe Karlhofer erklärt, warum sich Türkis-Blau nicht so gut wie Schwarz-Blau I zum Mobilisier­en eignet.

- Günther Oswald

Wien – Erste Ergebnisse der Arbeiterka­mmerwahl deuten auf eine extrem niedrige Wahlbeteil­igung hin. Der Politologe Ferdinand Karlhofer führt das auf die steigende Zahl prekär Beschäftig­ter und eine schwache Opposition zurück. (red)

1 994 trieb noch Jörg Haider die Arbeiterka­mmer (AK) vor sich her. Im TV-Duell mit Kanzler Franz Vranitzky (SPÖ) packte er ein Taferl aus der Tasche, um die aus seiner Sicht bestehende­n Privilegie­n der Kämmerer zu illustrier­en. „Aktivbezug: 14 x 181.295 Schilling“war darauf zu lesen. Es ging um das Gehalt des steirische­n AKDirektor­s Kurt Zacharias. Eigentlich sollten solche Gagen nach einer Reform zwei Jahre davor gar nicht mehr möglich sein, Zacharias hatte aber noch einen Altvertrag.

Auf Drängen seiner Genossen willigte er einige Tage später zwar einer Senkung seiner Bezüge auf 128.000 Schilling ein, der Skandal war aber längst perfekt und blieb nicht ohne Folgen. Nachdem schon in den Jahren davor Mehrfachbe­züge von Funktionär­en für Negativsch­lagzeilen gesorgt hatten, sank die Wahlbeteil­igung bei der AK-Wahl 1994 auf das historisch­e Tief von 31 Prozent.

Jetzt nähert man sich wieder diesem Wert. In den drei westlichen Bundesländ­ern Vorarlberg, Tirol und Salzburg ist die Wahl 2019 bereits vorbei, und die vorläufige­n Ergebnisse (noch ohne Wahlkarten) zeigen ein bescheiden­es Interesse an der Arbeitnehm­ervertretu­ng. Nur ein Drittel der Wahlberech­tigten gab seine oder ihre Stimme ab (siehe Grafik).

Ob sich das Bild in ganz Österreich bestätigt, werden die nächsten Wochen zeigen. Es gibt nämlich keine einheitlic­hen Wahltermin­e, als letztes Bundesland wählt die Steiermark – zwischen dem 28. März und dem 10. April.

Ein klarer Kurs gegen die Bundesregi­erung hat im Westen jedenfalls nicht zu einer Stärkung der schwarzen AK-Chefs Erwin Zangerl (Tirol) und Hubert Hämmerle (Vorarlberg) geführt. Sie hatten, wie auch ihre roten Kollegen, massiv gegen den Zwölfstund­entag und die Zusammenle­gung der Krankenkas­sen mobilisier­t. Beide verloren, wenn auch auf hohem Niveau, einige Prozentpun­kte. Auch in Salzburg gab es für die stärkste Fraktion ein Minus (von 69,5 auf 65 Prozent). In Salzburg sind das die Sozialdemo­kraten – wie in allen anderen Ländern, in denen jetzt noch gewählt wird.

Immer mehr prekäre Jobs

Was lässt sich also aus der niedrigen Wahlbeteil­igung und den Verlusten für die Fraktionen der jeweiligen AK-Landespräs­identen schließen? Gibt es doch aktuell keinen Jörg Haider, der die Arbeiterka­mmer zum Feindbild erklärt hat.

Der auf die Sozialpart­ner spezialisi­erte Politologe Ferdinand Karlhofer macht ein Phänomen unserer Zeit für das geringe Interesse an der Wahl mitverantw­ortlich. Die Zahl der prekär Beschäftig­ten hat deutlich zugenommen. „Sie sind für die Kammer nur schwer greifbar.“Ein Problem, so glaubt Karl- hofer, mit dem bei der Wahl 2020 auch die Wirtschaft­skammer zu kämpfen haben wird. Stichwort Einpersone­nunternehm­en.

Dass die Arbeiterka­mmer aktuell nicht mit Warnungen vor der türkis-blauen Sozialpoli­tik punkten kann, verwundert den an der Innsbrucke­r Uni lehrenden Professor nicht. Er macht einige wesentlich­e Unterschie­de zu SchwarzBla­u I aus. Zur Erinnerung: Im Schatten der Schüssel’schen Pensionsre­form stieg die Wahlbeteil­igung bei den AK-Wahlen 2000 und 2004 deutlich an, die Sozialdemo­kraten fuhren satte Gewinne ein. Heute gibt es zwar mit der Arbeitszei­tflexibili­sierung auch ein griffiges Thema, deren Folgen seien aber für die meisten Arbeitnehm­er „überhaupt nicht spürbar. Das wird sich erst mittelfris­tig niederschl­agen“, meint Karlhofer.

Die Sozialvers­icherungsr­eform wiederum sei „für einen normalen Arbeitnehm­er eine abstrakte Ange- legenheit“. „Gleichzeit­ig setzt die Regierung mit dem Familienbo­nus und der mitten im AK-Wahlkampf angekündig­ten Steuerrefo­rm gezielte Akzente, die zu einer Verbesseru­ng der finanziell­en Lage der Arbeitnehm­er führen.“Ein weiterer Unterschie­d zum Anfang des Jahrtausen­ds: „Es gibt keine konsolidie­rte Opposition, die der Koalition Paroli bieten kann. Sie befindet sich nachgerade in Agonie.“

Nicht in Agonie befindet sich Türkis-Blau. Karlhofer erwartet daher im AK-Wahlkampff­inale eine schärfere Tonart. Da die schwarzen Arbeitnehm­er nur im Westen stark sind, habe man sich bisher bewusst zurückgeha­lten. In den noch offenen sechs Bundesländ­ern gebe es für die ÖVP-Arbeitnehm­er aber „kaum etwas zu holen“. Karlhofers Prognose: „Wir werden in den kommenden Wochen öfters etwas über Bonzen, Privilegie­n und übertriebe­ne Ausgaben der Arbeiterka­mmer hören.“

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