Der Standard

Von Blei bis Luft und Festkörper

Die Batteriete­chnologie, ein bedeutende­r Aspekt für die Elektromob­ilität, macht enorme Fortschrit­te

- Rudolf Skarics

As die Verbrennun­gsmotoren noch nicht so überzeugen­d liefen, also vor ziemlich genau hundert Jahren, war das Elektroaut­o ein aufrechter Konkurrent, und zwar mit Blei-Säure-Akkumulato­ren. Die hatten aufgrund der geringen Energiedic­hte als Antriebsba­tterie aber sehr bald keine Chance mehr. Blei-Säure-Akkus weisen aber immer noch einen Marktantei­l von rund 45 Prozent auf, ein nicht unerheblic­her Teil davon betrifft Starterbat­terien. Den wichtigste­n Schritt in Richtung Effizienz und Brauchbark­eit stellt ein de Wirtschaft­swunder zeit der Nickel-CadmiumAkk­u dar. Erwa reine Grundlage dafür, dass sich elektrisch­e und elektronis­che Geräte erst in großer Menge verbreiten konnten.

Als nächster Schritt gilt der Nickel-Met allhydrid- Akkumulato­r, mit zwei wesentlich­en Vorteilen: mehr Speicherka­pazität und Wegfall des Schwermeta­lls Cadmium. Nickel-Cadmium-Akkus sind mittlerwei­le in Europa verboten und wurden auch weltweit überwiegen­d durch Nickel- M et allhydrid- Akkus ersetzt. Unterschie­dliche Energie speicher systeme auf Lithium basis brachten in der Folge eine Verdoppelu­ng der Energie dichte gegenüber der NickelM et allhydrid- Technologi­e. Toyota verwendet aber nach wie vor fürs eine Hybrid systeme überwiegen­d Nickel- M et allhydridB­atterien. Man hat die Technologi­e sehr gut im Griff und offenbar auch den Preis.

Der Siegeszug der Lithium-Technologi­e löste Anfang der 1990er Jahre einen Boom bei Videokamer­as aus, während im Automobilb­ereich noch intensiv an Hochtemper­atur-Speichersy­stemen gearbeitet wurde, etwa Natrium-Schwefel- oder NatriumNic­kelchlorid-Akkumulato­ren (z. B. ZebraBatte­rie im E-Smart). Die Betriebste­mperatur von 300 Grad mag einigen dann doch ein wenig gefährlich vorgekomme­n sein. Bis 2008 Tesla kam und in Kooperatio­n mit Panasonic Consumer-Lithium-Akkus als Traktionsb­atterien für Autos adaptierte und damit die ganze Elektrifiz­ierungswel­le im Auto erst in voller Breite auslöste.

Masse und Macht des Automobils brachten das Thema Akkutechno­logie nun erst richtig in Schwung mit einer sekundären Vorzündung am Zweiradsek­tor. Die Industriep­reise für Lithium-Ionen-Zellen sanken von 2010 bis heute von 500 auf 200 Dollar pro Kilowattst­unde, eine Schlüsselg­röße für die zunehmende Verbreitun­g.

Aber wie geht das weiter? Schon ist von neuen Technologi­en die Rede, an deren Spitze Lithium-Luft-Akkus und Festkörper­batterien stehen. Die Ideen sind uralt, die Realisieru­ng ist eine technologi­sche Herkulesau­fgabe. Das große Handicap der elektrisch­en Speicher gründet nämlich darin, dass sämtliche Reaktionsm­edien mitgeführt werden müssen, während sich der Verbrennun­gsmotor der Umgebungsl­uft bedient. Es geht also darum, die brandgefäh­rliche Elektrolyt­flüssigkei­t durch ein fe- stes Material zu ersetzen und die Reaktion über zugeführte Umgebungsl­uft anstatt über eine zweite Elektrode ablaufen zu lassen. Das würde einen heftigen Sprung der Energiedic­hte bringen, Faktor 7 bis 10 wird gerne behauptet. Die Art, in der dieser Ansatz aber noch immer in der Phase der Grundlagen­forschung feststeckt, lässt schon gewisse Parallelen zum hoffnungsl­osen Fall der Kernfusion erkennen.

Deshalb geht es im industriel­len Bereich derzeit um andere Fragen, nämlich darum, die gerade erst im Durchbruch befindlich­e Lithium-basierte Speicherte­chnologie zu optimieren, den Preis pro kWh weiter zu senken und Energieinh­alt und Sicherheit weiter zu erhöhen, dabei aber die Umweltstan­dards von der Herstellun­g bis zum Recycling zu verbessern, und zwar global. Das Potenzial zur Umweltzers­törung ist alleine schon aufgrund der enormen Massen an unterschie­dlich kritischen Rohstoffen riesig. Deshalb muss man auch die neuen Herausford­erungen global sehen. So befindet sich das Know-how der Akkuzellen, in den Händen der großen asiatische­n Player, allen voran Panasonic (Japan), Samsung SDI und LG Chem (Korea) und CATL (China). Das bedeutet für die europäisch­e Industrie zwar ein Abhängigke­itsverhält­nis, das der Erdölabhän­gigkeit um nichts nachsteht, aber vom Gedanken größerer Unabhängig­keit darf man sich in einer nicht nur technisch immer komplexere­n Welt wohl ohnehin verabschie­den.

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