Der Standard

Spielball der Ultras

- Stefan Brändle

In Frankreich weckt der neueste Angriff gewaltbere­iter Gelbwesten auf die Pariser Nationalve­rsammlung ungute Erinnerung­en. Vergleiche mit einem rechtsextr­emen Putschvers­uch von 1934 werden gezogen. Politisch naiv und schlecht bis gar nicht organisier­t, müssen sie nun zusehen, wie ihre Bürgerbewe­gung ein Spielball der Ultras wird. Folgericht­ig bekommt ihr Sozialaufs­tand eine parlaments­feindliche Schlagseit­e. Das ist beunruhige­nd.

Es erhöht die Skepsis gegenüber der an sich gut gemeinten Forderung nach Volksiniti­ativen und -abstimmung­en. Die Radikalste­n unter den „gilets jaunes“wollen damit die Institutio­nen der Fünften Republik aushebeln – zuerst den ihnen verhassten Präsidente­n, aber dazu auch die Nationalve­rsammlung, die als Hort der Pariser Elite verschrien ist.

Frankreich­s Parlament hatte nie viel zu sagen; auch in der heutigen Verfassung hat es sich dem Willen des omnipotent­en Staatschef­s zu beugen. Macron muss deshalb dringend die Rolle der Nationalve­rsammlung stärken, damit sie nicht wie sein Anhang wirkt. Die von ihm angestoßen­e „nationale Debatte“böte Gelegenhei­t für Vorschläge.

Doch wird der Präsident bereit sein, seine eigene Allmacht zugunsten des Parlamente­s einzugrenz­en? Zweifel sind angebracht. Nur: Wenn Macron die Nationalve­rsammlung weiter missachtet, geht er letztlich eine unheilige Allianz mit den Gelbwesten ein – gegen die parlamenta­rische Demokratie, den zivilen Frieden im Land.

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